Hepatobiliäre Chirurgie (Leberchirurgie)

Die Chirurgie der Leber umfasst ein breites Spektrum operativer Verfahren zur Therapie lebereigener und metastatischer Erkrankungen. Bei den von der Leber selbst ausgehenden, gutartigen Geschwulsten ist in der Regel nur bei Größenzunahme oder Beschwerden eine chirurgische Therapie notwendig. Häufigste Krankheitsbilder sind hier Hämangiome, fokal noduläre Hyperplasien und große Leberzysten. Das zunächst gutartige Leberadenom sollte aufgrund seiner potentiellen Entartungsneigung in jedem Falle entfernt werden. Je nach Lage und Größe des Tumors gelingt häufig eine lokale Entfernung ohne unnötig ausgedehnten Verlust von gesundem Lebergewebe. Oft kann auch laparoskopisch operiert werden.

Hepatozelluläres Karzinom

Für den häufigsten bösartigen Lebertumor, das hepatozelluläre Carcinom (HCC), ist die chirurgische Entfernung die einzige Therapie mit Aussicht auf definitive Heilung. Das HCC entsteht häufig aus einer vorausgegangenen Leberzirrhose. Obwohl dank minimal-invasiver Operationen („Schlüsselloch-Chirurgie“), zunehmend auch eine Teilentfernung bei Lebererkrankten Patienten möglich ist, so ist in einigen Fällen die Leber derartig geschädigt, dass eine Leber-Teilentfernung nicht mehr möglich ist und eine Lebertransplantation in Betracht gezogen werden muss.

Cholangiozelluläres Karzinom (Gallengangskarzinom)

Trotz steigender Inzidenz zählt das Gallengangskarzinom mit 3–4 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner zu den seltenen Tumor Entitäten in Deutschland. Problematisch ist hierbei, dass diese Tumoren häufig keine bzw. erst sehr spät Symptome verursachen und diese Raumforderungen somit häufig erst sehr spät erkannt werden. Auch für diese Tumore ist die radikale Entfernung einschließlich der zugehörigen Lymphknoten noch immer der einzige heilende Ansatz. Da die Leber in diesen Fällen meist nicht vorgeschädigt ist, sind ausgedehnte Leberteilentfernungen von bis zu 80 Prozent des Lebergewebes möglich.

Klatskin-Tumor

Ein weiterer Schwerpunkt der Chirurgischen Klinik liegt in der Behandlung des in der Gallengangsgabel der Leber sitzenden Klatskin-Tumors. Hier sind aufgrund möglicher Blutgefäßinfiltration und komplexer Gallengangsanatomie meist nur ausgedehnte Leberteilentfernungen (Trisektorektomie) sinnvoll, da lediglich diese Therapie Aussicht auf langfristigen Erfolg bietet. An unserem Zentrum – einem der größten Zentren dieser Art in Europa – werden diese Tumoren mit einer speziellen „no-touch“ Technik, der sogenannten „hilären en-bloc Resektion“ behandelt. Durch dieses Verfahren konnte in mehreren Studien ein signifikant verbessertes 1- und 3-Jahres Gesamtüberleben von 87% und 70% erreicht werden.

Metastasen

Für die Metastasenchirurgie konnten die Kriterien für eine operative Therapie aufgrund der chirurgischen Therapieerfolge in den letzten Jahren deutlich erweitert werden. Besonders bei Metastasen aus dem Dick- und Enddarm, aber auch bei Metastasen anderen Ursprungs, werden durch ausgedehnte leberchirurgische Eingriffe, die häufig durch eine medikamentöse Chemotherapie ergänzt werden, exzellente Therapieerfolge erzielt. Der Einzug minimalinvasiver Techniken in der Leberchirurgie ist in den vergangenen Jahren weiter vorangeschritten. Während die minimal-invasive Leberchirurgie vor einigen Jahren nahezu ausschließlich gutartiger Lebererkrankungen vorbehalten war, nimmt die Schlüsselloch-Chirurgie zunehmend auch eine bedeutende Rolle in der Behandlung bösartiger Lebererkrankungen ein. Weiterhin viel diskutiert in jüngerer Vergangenheit ist die Rolle eines neuartigen chirurgischen Vorgehens namens ALPPS (Associating Liver Partition and Portal vein Ligation for Staged hepatectomy) sowie dessen Stellenwert in der Behandlung primärer und sekundärer Lebertumoren. Die ALLPS-Operation in ihren verschiedenen Modifikationen gehört auch unserer Klinik zum hepatobiliären Operationsrepertoire und kommt vor allem zum Einsatz bei Patienten bei denen herkömmliche zweizeitige Operationsverfahren (zweizeitige Lebereingriffe mit Portalvenen Embolisation) nicht erfolgreich waren. Unsere Klinik gehört mit über 50 erfolgreich durchgeführten ALPPS-Operationen zu den wenigen nationalen, wie europäischen Leberzentren an denen dieses Verfahren mit hoher Expertise und hoher Fallzahl angewandt wird.

Neue Therapieverfahren senken Risiken

Als eine von nur wenigen Kliniken in Europa setzen wir an der Uniklinik RWTH Aachen vor Leberoperationen das neue Limax®-Verfahren ein. Es ermöglicht die präoperative Messung der Leberfunktion- und Regenerations-Kapazität und hilft so, das Risiko einer Leberinsuffizienz nach ausgedehnter Leberteilresektion zu minimieren. Sämtliche Leberresektionen werden in unserer Abteilung mit dem besonders gewebeschonenden Cusa®-Verfahren durchgeführt. Diese Methode ermöglicht durch einen Ultraschall-Dissektor die selektive Durchtrennung des Parenchyms unter Erhalt der Gefäß- und Gallenwegs- Strukturen.

Bei kleineren und anatomisch günstig gelegenen Raumforderungen der Leber nehmen wir zunehmend die minimal-invasive Leberteilresektion (auch sogenannte „single-incision laparoscopic surgery“ – praktisch narbenlose SILS-Leberoperationen, also Schlüsselloch Eingriffe über einen einzelnen im Bauchnabel versenkten Zugang) vor, die das Operationstrauma für den Patienten deutlich mindert. Zu diesem Thema führen wir in internationaler Kooperation mit den Kollegen der Universitätsklinik Maastricht eine multizentrische Studie durch.

Für jeden Patienten ein individuelles Behandlungskonzept

In Zusammenarbeit mit unseren gastroenterologischen, onkologischen und strahlentherapeutischen Kollegen entwerfen wir für jeden Patienten ein maßgeschneidertes Therapiekonzept. So können irresektable Tumore beispielsweise durch chemotherapeutisches "Downstaging" also durch Verkleinerung, operabel gemacht werden.

Forschung

Mit Initiierung des Humangenomprojektes in den frühen 1990er Jahren und mit der endgültigen Entschlüsselung des menschlichen Erbgutes im April 2003 ist bekannt, dass es zwischen dem Genotyp und der Ausprägung phänotypischer Merkmale hochkomplexe Wechselwirkungen und Rückkoppelungen zwischen DNA, RNA, Protein und dem Zellplasma gibt, die neben der tumorspezifischen Molekularbiologie Einfluss auf die Krebsentstehung und das Fortschreiten der Krebserkrankung nehmen. Diese Tumor-Wirt-Wechselwirkung ist seit den 2000er Jahren zunehmend in den Fokus globaler Forschungsanstrengungen gelangt mit dem Ziel, die molekularen Mechanismen der Tumor-Kanzerogenese besser zu verstehen und neue Zielgene als molekulare Marker sowie potentielle Ziele der „targeted“ Therapie zu identifizieren. Eine wichtige Errungenschaft der modernen Krebsforschung war die Einführung der „personalisierten Medizin“, in der komplexe Therapien unter Berücksichtigung interindividueller molekularbiologischer Konstellationen des Tumors und des Patienten, unter Zuhilfenahme moderner Biomarker ermittelt werden können und unter denen die genetische Konstellation des Patienten in seiner Rolle als Tumor-Wirt (Genom, DNA, Polymorphismen, Mutationen) eine besondere Rolle einnimmt.

Die Untersuchung der Tumor-Wirt-Wechselwirkung durch sogenanntes „Einzel-Nucleotid-Polymorphismus Profiling“ sowie die systematische Weiter- und Neuentwicklung von molekularbiologischen Techniken zur Früherkennung und Risikostratifizierung bei Patienten mit kolorektalen Lebermetastasen, Gallengangs- und Hepatozellulärem Karzinom stellen Schwerpunkte unserer translationellen Forschungsbemühungen dar.