Paper in „Nature Partner Journal Digital Medicine“ veröffentlicht: Wissenschaftler entwickeln Algorithmus für optimierte Beatmungseinstellung bei Intensivpatienten

Patienten mit akutem Lungenversagen benötigen in der Regel eine Unterstützung der Lungenfunktion, die durch mechanische Beatmung erreicht wird. Obwohl die mechanische Beatmung eine lebensrettende Therapie ist, birgt sie das Risiko – unter anderem bei nicht adäquater Anwendung – akute oder chronische Schädigungen der Lunge hervorzurufen. Wissenschaftler der Uniklinik RWTH Aachen haben in Zusammenarbeit mit der Harvard-MIT Division of Health Sciences and Technology, der Queen Mary University of London sowie weiteren Einrichtungen der RWTH Aachen University einen Algorithmus entwickelt und validiert, der zukünftig bei der Wahl der optimalen Beatmungseinstellungen von Intensivpatientinnen und -patienten helfen kann. Die Forschungsergebnisse wurden nun in der renommierten Fachzeitschrift npj Digital Medicine publiziert. 

Trotz intensiver Bemühungen in der Grundlagen- und klinischen Forschung bleibt eine individualisierte Beatmungsstrategie für schwerkranke Patienten eine große Herausforderung. Es gibt unterschiedliche Strategien, um die Lunge vor Verletzungen und Schädigungen durch das Beatmungsgerät zu schützen. Auch wenn die Variablen am Beatmungsgerät mittels Optimierungsfunktionen und klinischen Empfehlungen automatisch eingestellt werden können, kann die Handhabung und Bedienung durch Medizinexperten je nach klinischen Merkmalen der einzelnen Patientinnen und Patienten zu einer Abweichung von diesen Einstellungen führen.

Mithilfe künstlicher Intelligenz und dem Einsatz komplexer maschineller Lernverfahren sollen die Einstellungen maschineller Beatmung verbessert werden, um schwerkranken Patienten mit akutem Lungenversagen eine optimierte Lungenunterstützung mit reduziertem Schädigungsrisiko zu gewährleisten.

Zukunftsweisende Technologie in der Intensivpflege

„Im Rahmen unserer Forschungsarbeit haben wir eine neue Technik und eine spezielle Form des Machine Learning – das sogenannte Reinforcement Learning, also das verstärkende Lernen – angewendet. Dabei geht es darum, optimale Handlungen mittels einer Belohnungstaktik zu erlernen“, erklärt Dr. med. Arne Peine, Studienerstautor und Arzt in der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care (Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. Gernot Marx) an der Uniklinik RWTH Aachen. Bei dieser Lernmethode erkennt der Algorithmus nicht eigenständig Muster basierend auf bestehenden Trainingsdaten, sondern findet mithilfe einer zu maximierenden Anreizfunktion für ein gegebenes Problem eine optimale Strategie. Nach dem Prinzip von Zuckerbrot und Peitsche passt sich der auf Reinforcement Learning basierende Algorithmus über die Nutzung automatisiert so an, dass die Belohnung möglichst groß ausfällt. Mit dieser Technik lässt sich ein gewünschtes Verhalten antrainieren.

„Unser entwickelter Algorithmus ‚VentAl‘ optimiert seine Ergebnisse kontinuierlich an mehreren zehntausenden echten Patientenfällen und -daten. Hierbei gründet der Algorithmus seine Entscheidung auf mehr als 40 patientenspezifische Einzelfaktoren“, so der Intensivmediziner.

Im Rahmen der Forschungsarbeit konnten die Wissenschaftler zeigen, dass der Algorithmus die simulierte Leistung und Dynamik von Medizinern bereits nach wenigen Trainingsschritten übersteigt. „Damit stellt ‚VentAI‘ einen wesentlichen Fortschritt in der Anwendung von maschinellem Lernen in der Versorgung kritisch kranker Patienten dar“, blickt Dr. Peine zuversichtlich in die Zukunft.

Zur Publikation: https://www.nature.com/articles/s41746-021-00388-6  

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