Talusfraktur (Bruch des Sprungbeines)
Der Talus, oder auch das Sprungbein genannt, nimmt unter den Fußknochen eine Sonderstellung ein. Es ist in die Sprunggelenksgabel eingebettet. Zusätzlich bestehen gelenkige Verbindungen zum Fersenbein sowie zum Kahnbein des Fußes. Das Sprungbein ist zu 3/5 mit gelenkbildendem Knochen überzogen. Es ist ausschließlich passiv beweglich und fungiert als Schnittstelle der Längsachsen von Bein und Fuß und ist aus diesem Grund nicht nur hohen Druck- sondern auch großen Scherbelastungen ausgesetzt. Das Sprungbein gliedert sich in einen Körper, in einen Hals und einen Kopf sowie in äußere Anteile (Processus lateralis et posterior). Die Halsfraktur ist die häufigste Sprungbeinfraktur. Ursache ist hier eine maximale Überdehnung des Fußes zum Schienbein hin. Weiterhin unterscheiden wir Sprungbeinkörperfrakturen; diese sind selten und entstehen häufig aufgrund einer Gewalteinwirkung auf den Fuß in Längsachse. Die Brüche der äußeren Anteile des Sprungbeines entstehen bei Umknicktraumata des Fußes. Am häufigsten tritt der Bruch des Sprungbeines bei Stürzen aus großer Höhe oder Auffahrunfällen oder Stürzen anderer Ursache auf. Besonderes Augenmerk sollte man auf Begleitverletzungen in der Knochenkette legen, die auf den ersten Blick häufig nicht erkannt werden. Verrenkungen im oberen Sprunggelenk sowie im Bereich des unteren Sprunggelenkes oder der Fußwurzelgelenke können bei starker Gewalteinwirkung auftreten. Häufig sind es dann Verletzungen mit Schädigung der Haut und der Weichteile (offene Brüche). Handelt es sich um einen offenen Sprungbeinbruch, liegen Infektionsraten bis zu 30 % vor.
Klassifikation
Am gebräuchlichsten ist die Klassifikation nach Hawkins. Sie bezieht sich auf die mit der Fraktur einhergehende Luxation (Verrenkung) und kennzeichnet die häufigen Halsfrakturen.
Typ I: Hier liegt keine Verrenkung des Sprungbeins in Beziehung zu den umgebenden Strukturen vor.
Typ II: Es liegt eine Verrenkung zum unteren Sprunggelenk vor.
Typ III: Es liegt eine Verrenkung im oberen und unteren Sprunggelenk vor.
Typ IV: Siehe Typ III mit zusätzlich verrenktem Gelenk zum Kahnbein.
Beschwerden
Es liegen akute Schmerzen in der Sprunggelenksregion vor. Häufig sind eine sich schnell entwickelnde Schwellungssituation sowie Blutergüsse. Ein schmerzfreies Laufen ist nicht mehr möglich. Als Begleitverletzungen kommen in 20 % der Fälle offene Verletzungen vor, Verletzungen der Außen- und Innenknöchel zu 15 %, begleitende Brüche des Fersenbeins zu 10 % sowie Unterschenkelbrüche, Fußwurzel- und Mittelfußbrüche zu je 7 %.
Feststellen der Erkrankung
Dringend notwendig ist aufgrund der anatomischen Nähe von Nerven und Gefäßen eine Prüfung der Durchblutung, Motorik und Sensibilität. Das Mittel der Wahl zum Feststellen der Erkrankung ist die Röntgenaufnahme in 2 Ebenen. Häufig ist zusätzlich eine Computertomographie indiziert. Diese kann die genaue Lage der Fragmente zeigen und hilfreich zur Planung der Operation sein. In seltenen Fällen ist eine Kernspintomographie notwendig (eher zur Abgrenzung von Schädigungen des Sprungbeins bei regional verminderter Durchblutung: Osteochondrosis dissecans).
Behandlung
Brüche, die weder eingestaucht sind noch weit auseinanderliegende Fragmente haben, können konservativ versorgt werden. Zunächst erfolgt eine Ruhigstellung in einer Unterschenkelgipsschiene. Es sollten eine Hochlagerung und kühlende Maßnahmen durchgeführt werden, bis die verletzte Region zur Abschwellung gebracht wurde. Dann erfolgt der Wechsel auf einen zirkulären Gipsverband. Nach weiteren 4 Wochen ist ein Umstieg auf einen Unterschenkelgehgips möglich. Das Bein ist erst wieder nach 8 Wochen voll belastungsfähig. Dies gilt jedoch nur für die Hawkins-Typ I-Verletzung.
Ab Typ II sowie bei allen Brüchen mit versetzten Fragmenten muss operiert werden. Hier ist die Standardoperation das Einbringen von kleinen Schrauben. Möglicherweise können das Sprungbein oder die Fragmente ohne Eröffnung der Haut in die regelrechte Stellung verbracht werden. Andernfalls muss der Bruch offen eingerichtet und mit den entsprechenden Implantaten (Schrauben) gehalten werden.
Nachbehandlung
Nach der Operation ist eine Gipsschiene bis zum Rückgang der Schwellungssituation sowie bis zur Wundheilung notwendig. Es sollte eine Entlastung der operierten Extremität von mindestens 6 Wochen (bis zu 12 Wochen, je nach Heilung) erfolgen. Aus diesem Grund ist die Mobilisation des Patienten an Unterarmgehstützen notwendig. Physiotherapeutische Maßnahmen mit Übungen zur Verbesserung der Beweglichkeit im oberen und unteren Sprunggelenk sind jedoch in dieser Zeit sinnvoll. Sollte das Sprungbein jeglichen Kontakt zum oberen und unteren Sprunggelenk verloren haben (komplette Verrenkung), ist ein umgehendes Einrenken entscheidend, um das Risiko eines durchblutungsbedingten Absterbens des Knochens (avaskuläre Knochennekrose) zu minimieren. Dies geschieht bei gebeugtem Kniegelenk sowie unter Zug. Auch hier ist nach dem Einrenken eine frühe passive Mobilisation entscheidend.
Komplikationen
Die Prognose wird maßgeblich durch die Nekroserate (Tod der Knochenzellen) infolge verminderter Durchblutung bestimmt. Die Rate beträgt bei Typ Hawkins I 5 bis 10 %, bei Typ Hawkins II 40 bis 50 % und bei Typ Hawkins 3 und 4 bis zu 100 %. Nicht jeder Nekrose des Sprungbeines folgt eine therapiebedürftige Arthrose (Verschleiß). Die Arthroseraten liegen, je nach Typ, bei 20, 50 und 75 %. Aus diesem Grund ist eine schnelle Operation mit Wiederherstellung der Lage in Beziehung zu den Gelenkpartnern sowie der Form des Sprungbeines wichtig. Ist es im weiteren Verlauf dann doch zu einer Arthrose gekommen, wird häufig eine Versteifungsoperation notwendig.