Seit 2021 hat das Forschungsprojekt DISTANCE als einer der sieben Digitalen FortschrittsHubs Gesundheit der Medizininformatik-Initiative entscheidende Strukturen geschaffen, um medizinische Forschung und regionale Versorgung stärker zu vernetzen. Ziel des Projekts war es, mithilfe von Routinedaten eine belastbare Grundlage für die Gesundheitsforschung zu schaffen und die Patientenversorgung langfristig zu verbessern. Die Wirksamkeit und Praxistauglichkeit der aufgebauten Infrastruktur wurde anhand eines klinischen Anwendungsfalls zur intensivmedizinischen Nachsorge demonstriert. Nach vier Jahren Laufzeit endet das vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt geförderte Projekt nun offiziell – mit einer positiven Bilanz.
Acht regionale Gesundheitseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Thüringen waren in das Projekt involviert. Sieben weitere Partner aus Wissenschaft und Forschung haben sich unter Federführung der Uniklinik RWTH Aachen beteiligt. Die technische Grundlage für den sektorenübergreifenden und interoperablen Datenaustausch zwischen den teilnehmenden Einrichtungen bildete der in DISTANCE entwickelte „Digital Hub“. Daten aus der medizinischen Routineversorgung werden dort zentral gesammelt, anonymisiert und bundesweit für die Forschung bereitgestellt. Über lokal betriebene Hub Connect Boxen waren alle beteiligten Gesundheitseinrichtungen sicher angebunden. Der intensivmedizinische Anwendungsfall PICOS zeigte, dass dieses Konzept nicht nur modellhaft funktioniert, sondern auch in der Versorgungsrealität anwendbar ist.
Langzeitdaten zur intensivmedizinischen Nachsorge erstmals systematisch erhoben
Ein weiterer Schwerpunkt von DISTANCE war die longitudinale Erhebung von Gesundheitsdaten zur Erforschung von Langzeitwirkungen nach einem intensivmedizinischen Aufenthalt. Über 200 ehemalige Intensivpatientinnen und -patienten wurden an den teilnehmenden regionalen Krankenhäusern rekrutiert. Sie nutzten über zwei Jahre hinweg die PICOS-App, um regelmäßig Werte wie Blutdruck, Schmerzempfinden oder Schlaf zu dokumentieren. So erhielten sie einen besseren Überblick über ihren Gesundheitszustand, während die erhobenen Daten wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Langzeitfolgen eines intensivmedizinischen Aufenthalts ermöglichen.
Mehrwert für Forschung und Versorgung bereits ersichtlich
Derzeit werden die App-Daten ausgewertet. Unter anderem werden mithilfe Künstlicher Intelligenz erste Modelle zur Vorhersage von Schmerz entwickelt. Schon jetzt ist der Nutzen der Anwendung für die Patientinnen und Patienten spürbar: „Die App hat mir eine neue Routine beigebracht, wodurch ich mehr auf meine Gesundheit achte“, berichtete ein Teilnehmer in der Evaluation.
Die Ergebnisse aus DISTANCE zeigen: Die Nutzung von Daten aus der Routineversorgung kann Forschung und Versorgung entscheidend voranbringen. Patientinnen und Patienten profitieren direkt von digitalen Anwendungen und neuen Erkenntnissen. „Mithilfe von DISTANCE können wir Patientinnen und Patienten, die einen längeren intensivmedizinischen Aufenthalt hinter sich haben, die Möglichkeit geben, ihren eigenen Gesundheitszustand transparent im Blick zu behalten. Die App wertet die gesammelten Daten laiengerecht aus und ermöglicht damit eine bessere Selbstfürsorge nach der Behandlung auf unserer Station“, erklärt Univ.-Prof. Dr. med. Gernot Marx, Projektleiter und Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care an der federführenden Uniklinik RWTH Aachen. Voraussetzung ist ihre Einwilligung zur Datennutzung im Rahmen der Medizininformatik-Initiative unter Einhaltung höchster Datenschutz- und Sicherheitsstandards.
DISTANCE:PRO setzt erfolgreiche Arbeit fort
Am 1. Oktober ist das Nachfolgeprojekt von DISTANCE gestartet: DISTANCE:PRO. Ziel ist es, die in DISTANCE erarbeiteten Lösungen nachhaltig auszubauen. So soll die Dateninfrastruktur des Digital Hub erweitert und als externes Datenintegrationszentrum (XTDIZ) etabliert werden, wie es bislang nur in universitären Settings vorhanden ist. Mit dem XTDIZ können Daten aus der regionalen Gesundheitsversorgung datenschutzgerecht gebündelt, harmonisiert und für digitale Anwendungen, KI-gestützte Vorhersagemodelle sowie Forschung genutzt werden.
Auch die PICOS-App wird weiterentwickelt und in einer klinischen Studie erprobt. Im Fokus steht nun die präoperative und longitudinale Datenerfassung bei onkologischen Patientinnen und Patienten. Die entstehende Datenbasis soll helfen, Risiken besser einzuschätzen und die Behandlungsqualität gezielt zu verbessern.
Hintergrund: Medizininformatik-Initiative – Vernetzen. Forschen. Heilen.
Ziel der Medizininformatik-Initiative (MII) ist es, Routinedaten aus der Patientenversorgung bundesweit digital zu vernetzen und für die medizinische Forschung verfügbar zu machen, um Krankheiten zukünftig schneller und effektiver behandeln zu können. Daran arbeiten alle Einrichtungen der Universitätsmedizin Deutschlands gemeinsam mit weiteren Forschungseinrichtungen, Unternehmen, Krankenkassen und Patientenvertretern in den vier Konsortien DIFUTURE, HiGHmed, MIRACUM und SMITH.
Die MII baut seit 2018 Dateninfrastrukturen an den Universitätskliniken auf. Anhand vielfältiger Anwendungsfälle – von der Intensiv- bis zur Krebsmedizin – demonstrierten die MII-Partner bereits den Mehrwert ihrer IT-Lösungen in der Praxis. Im Fokus der 2023 gestarteten und mit rund 200 Millionen Euro geförderten Ausbau- und Erweiterungsphase (2023-2026) steht eine erweiterte Zusammenarbeit zwischen den Universitätskliniken und deren Kooperation mit neuen Partnern, insbesondere auch aus der regionalen Versorgung.
Ergänzend fördert das BMFTR im Rahmen der MII sechs Digitale FortschrittsHubs Gesundheit mit rund 50 Millionen Euro (2021-2025). Ihre Aufgabe ist es, die Pionierarbeit der Unikliniken in weitere Bereiche des Gesundheitssystems einzubringen: von der ambulanten Versorgung in Praxen bis zur Rehabilitation und Nachsorge.






