Einsamkeit als Gesundheitsrisiko

Isolation führt zum Verlust von Lebensqualität und begünstigt ernsthafte Erkrankungen.

Ob auf Facebook, Twitter oder Instagram – der moderne Mensch lebt digital und ist praktisch mit der ganzen Welt vernetzt. Doch trotz Followern, Skype-Freunden und einer nie da gewesenen Mobilität, fühlen sich viele Menschen einsam. Jeder zehnte Deutsche beklagt den Mangel an sozialen Beziehungen. Dass diese Einsamkeit nur die Älteren trifft, ist ein Irrglaube. Das Gefühl der Isolation zieht sich durch alle Alters- und Gesellschaftsschichten und ist für viele ein großes Problem – auch gesundheitlich.

Einsamkeit kann man inmitten einer großen Familie oder Gruppe empfinden, das erfahren schon Schulkinder. Und es spüren auch die Bewohner von Altenheimen oder WGs. Wer hingegen alleine lebt oder sich bewusst zurückzieht, muss keinesfalls einsam sein. Und trotzdem ist seit Jahrzehnten ein Trend zu beobachten, der auch die Einsamkeit mit erklären kann: Die häufigste Wohnform in Deutschland ist der Singlehaushalt. Über 40 Prozent der Bevölkerung lebt allein. In den Großstädten ist der Anteil noch höher und liegt bei über 50 Prozent. Und wer alleine lebt, dem droht auch schneller die Einsamkeit.

Soziale Unterstützung ist wichtig

Sich allein zu fühlen ist mehr als nur ein unangenehmes Gefühl. „Soziale Beziehungen sind das, was uns als Menschen ausmacht und zusammenhält“, erklärt Univ.-Prof. Dr. med. Irene Neuner, Kommissarische Direktorin der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik an der Uniklinik RWTH Aachen. „Sie sind essentiell für soziale Unterstützung und diese nimmt direkt und indirekt Einfluss auf die körperliche und psychische Gesundheit.“ So könne die Unterstützung und Geborgenheit von Freunden und Familie vor allem Stress mildern oder gar abbauen: Wenn Menschen überlastet sind, helfen soziale Kontakte, schwierige Situationen besser zu bewältigen und Stressoren zu überwinden. Dadurch kann die Gesundheit wiederhergestellt beziehungsweise gar nicht erst so sehr belastet werden.

Chronischer Stress durch Einsamkeit

Viele Experten sind überzeugt davon, dass Einsamkeit erhebliche Folgen für die Gesundheit hat. Dabei geht es nicht nur um den unmittelbaren seelischen Schmerz, sondern auch um das Einhergehen von Bluthochdruck, Herzerkrankungen, Lungenleiden, Depressionen, Schlafstörungen und einem beschleunigten kognitiven Abbau im Alter. „Die Effekte sind mittlerweile gut untersucht“, sagt Prof. Neuner. „Wer sich einsam und ausgeschlossen fühlt, leidet unter chronischem Stress, mit all seinen schädlichen Konsequenzen: Entzündungen, eingeschränkte Immunabwehr, Übergewicht. Und: Neben diesen messbaren Größen wird Einsamkeit von den Betroffenen generell als Verlust von Lebensqualität wahrgenommen.“

Schon kleine Gesten können helfen

Auch wenn sich fast alle Menschen im Laufe ihres Lebens hin und wieder einsam fühlen: Als soziale Wesen versuchen wir, diese Einsamkeit so schnell wie möglich zu überwinden. Diese Wiederangliederungsmotivation schützt uns vor der Isolierung. „Wenn diese Motivation fehlt oder scheitert, kommt es zu Problemen“, erklärt Prof. Neuner weiter. „Studien haben gezeigt, dass gerade bei älteren Menschen der fehlende Impuls zur Kontaktaufnahme oft mit einer beginnenden Depression verbunden ist. Dabei ist noch nicht ganz klar, ob Einsamkeit hier nur ein frühes Symptom oder doch eine Ursache der depressiven Störung ist.“