Tierschutzausschuss RWTH Aachen

Deutsche Hochschulen sind gesetzlich dazu verpflichtet, bei der Durchführung von Tierversuchen höchste Standards des Tierschutzes einzuhalten. 

Grundlage hierfür ist die Tierschutz-Versuchstierverordnung (TierSchVersV). Gemäß § 6 TierSchVersV muss jede Einrichtung, die Tierversuche durchführt, einen Tierschutzausschuss (TierSchA) einrichten. Die Einrichtung von Tierschutzausschüssen beruht jedoch nicht allein auf deutschem Recht, sondern geht auf die EU-Richtlinie 2010/63/EU zum Schutz von Tieren, die zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet werden, zurück. Diese Richtlinie verpflichtet alle Mitgliedstaaten, sogenannte „Animal Welfare Bodies“ einzurichten. In Deutschland werden diese Vorgaben unter anderem durch die Einrichtung von Tierschutzausschüssen umgesetzt. Dazu zählen auch die gemäß § 15 Tierschutzgesetz bei den Genehmigungsbehörden eingerichteten Kommissionen, die gemeinsam für die Umsetzung und Überwachung der tierschutzrechtlichen Bestimmungen zuständig sind.

Der Tierschutzausschuss hat vielfältige Aufgaben. Er unterstützt die Tierschutzbeauftragten bei der Beratung von Forschenden und wirkt an der Festlegung interner Arbeitsabläufe zur Beobachtung und Bewertung des Wohlergehens der Tiere mit. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der kontinuierlichen Beratung und Information des Personals, das mit Tierversuchen sowie mit Zucht, Haltung, Pflege und Tötung von Tieren betraut ist. Der Ausschuss informiert fortlaufend über neue wissenschaftliche und technische Entwicklungen, die dazu beitragen können, Haltung, Pflege und Versuchsdurchführung zu verbessern, sowie über Maßnahmen, die das Wohlergehen der Tiere fördern. Er gibt Empfehlungen für eine stetige Verbesserung der Praxis.

Der Tierschutzausschuss der RWTH Aachen setzt sich aus folgenden Personengruppen zusammen:

  • Verantwortliche Personen nach § 11 TierSchG
    (§ 11 TierSchG regelt die Genehmigungspflicht für Einrichtungen, die Tiere zu wissenschaftlichen Zwecken halten oder einsetzen)
  • Tierexperimentell tätige Personen
  • Personen, die mit der Pflege der Tiere betraut sind
    (in der Regel leitende Tierpflegende)
  • Tierschutzbeauftragte (TierSchB) der Einrichtung

Für die tierexperimentell tätigen Personen sowie die tierpflegenden Personen wird jeweils eine Stellvertretung benannt. Leitung und stellvertretende Leitung des Ausschusses werden aus den Mitgliedern gewählt, jeweils für eine Amtszeit von drei Jahren. Eine Wiederwahl ist möglich.

Der Tierschutzausschuss der RWTH Aachen ist seit 2015 aktiv und kommt gemäß gesetzlicher Vorgabe mindestens zweimal pro Jahr zusammen.

Bei seiner Zusammensetzung wurde besonders darauf geachtet, eine breite fachliche Expertise aus verschiedensten Forschungsbereichen und Tätigkeitsfeldern einzubeziehen. Dazu zählen unter anderem:

  • Nagetiere, Großtiere, Fische
  • Operative und konservative Fachrichtungen
  • Medizin, Zahnmedizin, Veterinärmedizin, Biologie
  • Geistes- und Sozialwissenschaften, z.B. Geschichte und Ethik

Damit wird sichergestellt, dass der Ausschuss sämtliche Aspekte des Tierwohls in der Forschung fundiert beurteilen kann.

Person Kompetenzbereich
Prof. Tolba§ 11 TierSchG/Leitung Ausschuss
Prof. Spehr§ 11 TierSchG /Stellvert. Leitung Ausschuss
Prof. Bremer§ 11 TierSchG 
Prof. Martin§ 11 TierSchG 
Birgitta Goffart (in Bearbeitung)§ 11 TierSchG 
Dr. Gronloh§ 11 TierSchG 
Prof. KampaVertretung f. Prof. Spehr (§ 11 TierSchG)
  
Prof. WiesmannTierex.-tätige Personen/Großtiere
Prof. JockenhövelTierex.-tätige Personen/Großtiere (Vertretung f. Prof. Wiesmann)
Prof. ApelTierex.-tätige Personen/Großtiere
Prof. Spillner Tierex.-tätige Personen/Großtiere
(Vertretung f. Prof. Apel)
  
Prof. Jahnen DechentTierex.-tätige Personen/Nager
Prof. WeiskirchenTierex.-tätige Personen/Nager
(Vertretung f. Prof. Jahnen Dechent)
  
Prof. GroßEthik
Dr. SchmidtEthik
(Vertretung f. Prof. Groß)
  
Frau RolandTierpflege
(Vertretung f. Kaesbach)
Frau KaesbachTierpflege
Frau TurhanTierpflege
(Vertretung f. Kaesbach)
  
Dr. TixTierschutzbeauftragte
Jun. Prof. ErnstTierschutzbeauftragte
Dr. SchererTierschutzbeauftragte
Dr. MoßTierschutzbeauftragte
Dr. DeutschTierschutzbeauftragte
Dr. SiegelerTierschutzbeauftragte
Frau KnorrTierschutzbeauftragte

Verbindliche Anwendung der PREPARE- und ARRIVE-Guidelines bei neuen Tierversuchsanträgen

Der Tierschutzausschuss hat am 28.08.2025 beschlossen, dass bei der Einreichung neuer Tierversuchsanträge künftig zwingend sowohl die PREPARE-Guidelines (Planning Research and Experimental Procedures on Animals: Recommendations for Excellence) als auch die ARRIVE-Guidelines (Animal Research: Reporting of In Vivo Experiments) vollständig berücksichtigt und integriert werden müssen. Ziel dieser Maßnahme ist es, die Qualität der Versuchsanträge, die wissenschaftliche Aussagekraft der Ergebnisse sowie die Transparenz in der Tierversuchsforschung weiter zu erhöhen. Gleichzeitig dienen die Leitlinien den Forschenden als wertvolles Instrument zur Selbstkontrolle und Überprüfung der Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit ihrer Planungen und Dokumentationen.

Die PREPARE-Guidelines dienen der umfassenden und systematischen Planung tierexperimenteller Studien. Sie decken wesentliche Bereiche ab – von der Studienformulierung über den engen Dialog zwischen Forschenden und der Tiereinrichtung bis hin zur Qualitätskontrolle aller Studienkomponenten – und stellen damit eine solide Grundlage für hochwertige und verlässliche Forschung sicher. Eine leicht anpassbare Checkliste steht als praktische Hilfestellung zur Verfügung: PREPARE

Ergänzend dazu legen die ARRIVE-Guidelines den Fokus auf die transparente und vollständige Berichterstattung von Tierversuchsstudien. Sie bestehen aus praxisnahen Checklisten, die sicherstellen, dass alle relevanten Informationen – etwa zum Studiendesign, zu Tieren, Methodik, Statistik und Analysen – standardisiert dokumentiert werden. Die Guidelines werden kontinuierlich weiterentwickelt (u. a. ARRIVE 2.0) und können auf der offiziellen Website heruntergeladen werden: Home | ARRIVE Guidelines

Mit dieser verbindlichen Einführung beider Leitlinien stärkt der Tierschutzausschuss das Grundprinzip der wissenschaftlichen Integrität und Qualität. Die Maßnahme trägt erheblich zur Verbesserung der Reproduzierbarkeit und Aussagekraft tierexperimenteller Studien bei und unterstützt zugleich die ethischen Anforderungen durch Förderung des 3R-Prinzips.

 

Verlängerung des Wechselintervalls der Käfige in der Nagerhaltung

Am 30.04.2025 hat der Tierschutzausschuss beschlossen, die Frequenz der Käfigwechsel in der IVC*-Nagerhaltung, wo möglich, auf einen 14-tägigen Rhythmus umzustellen. Jeder Käfigwechsel geht mit Transport, Handling und einer Veränderung der gewohnten Umgebung einher, was Stress auslösen und das Wohlbefinden der Tiere beeinträchtigen kann. Durch die Verlängerung des Wechselintervalls wird dieser Stress deutlich reduziert, sodass den Tieren eine stabilere und vertraute Umgebung geboten wird.

Die neue Regelung trägt darüber hinaus wesentlich zum Arbeitsschutz und zur Ressourcenschonung bei. Weniger häufige Käfigwechsel verringern die körperliche Belastung des Tierpflegepersonals und die Exposition gegenüber Allergenen, was langfristig die Gesundheit der Mitarbeitenden unterstützt. Gleichzeitig wird der Einsatz von Material und Arbeitszeit effizienter gestaltet, ohne die Qualität der tiergerechten Haltung zu beeinträchtigen – im Gegenteil, das Tierwohl wird dadurch sogar verbessert.

Die Anpassung der Käfigwechsel-Frequenz stellt somit eine Maßnahme dar, die sowohl den Bedürfnissen der Tiere als auch den Anforderungen des Personals gerecht wird. Sie entspricht dem Refinement-Gedanken des 3R-Prinzips, da eine bestehende Praxis so verändert wird, dass Belastungen für Versuchstiere minimiert werden, ohne wissenschaftliche Standards zu beeinträchtigen.

* IVC-Käfige (Individually Ventilated Cages) sind moderne Haltungssysteme für Labornager. Jeder Käfig wird einzeln mit gefilterter Luft versorgt, wodurch Tiere optimal geschützt und Hygienestandards verbessert werden. Diese Technik sorgt für mehr Tierwohl, reduziert die Belastung durch Keime und Allergene und bietet sichere Arbeitsbedingungen für das Betreuungspersonal.

 

Cup- und Tunnel-Handling

Der Tierschutzausschuss hat am 14.11.2024 beschlossen, für die Handhabung von Mäusen verbindlich das sogenannte Cup- und Tunnel-Handling einzuführen. Diese Methoden ersetzen das bislang verbreitete Aufnehmen der Tiere am Schwanz. Beim Tunnel-Handling werden die Mäuse mithilfe eines transparenten Kunststofftunnels umgesetzt, während beim Cup-Handling die Tiere in die geöffnete Hand aufgenommen werden, ohne dass dabei ein direkter Griff am Schwanz erfolgt.

Die Entscheidung basiert auf einer wachsenden Zahl wissenschaftlicher Untersuchungen, die eindeutig belegen, dass diese alternativen Handhabungsmethoden die Belastung der Tiere signifikant reduzieren. Insbesondere konnte gezeigt werden, dass Stress- und Angstreaktionen deutlich geringer ausfallen, wenn Mäuse im Tunnel oder in der Hand statt am Schwanz aufgenommen werden. Die Tiere zeigen unter diesen Bedingungen ein ruhigeres Verhalten sowie eine verbesserte Interaktion mit dem Personal (Henderson et al., 2020; NC3Rs).

Darüber hinaus wirken sich die Verfahren auch positiv auf die Qualität wissenschaftlicher Ergebnisse aus. Stress ist ein wesentlicher Faktor, der physiologische Parameter verändern und damit die Reproduzierbarkeit von Versuchsdaten beeinträchtigen kann. Durch die Einführung von Cup- und Tunnel-Handling wird das Risiko solcher Verzerrungen reduziert.

Mit diesem Beschluss trägt der Tierschutzausschuss in besonderem Maße dazu bei, die Haltungs- und Nutzungsbedingungen von Versuchstieren weiter zu verbessern. Die Maßnahme stellt ein klares Beispiel für die Umsetzung des Refinement-Gedankens innerhalb des 3R-Prinzipis dar, da eine etablierte Praxis zugunsten einer tierschutzgerechteren, weniger belastenden Methode ersetzt wird.

Dazu wurden im Bereich der Versuchstierkunde der RWTH Aachen 5000 Tunnel im Wert von über 20.000 Euro beschafft.