Neuropathien und Schmerzassoziierte Erkrankungen

Schmerzassoziierte Erkrankungen
(Hereditäre sensorisch-autonome Neuropathien und Natriumkanalerkrankungen)

Ein Verlust von Sensibilität und Schmerzempfinden kann durch einen Entwicklungsdefekt, die Degeneration schmerzleitender Fasern oder eine veränderte neuronale Erregbarkeit ver-ursacht werden. Eine sensorische Neurodegeneration findet sich insbesondere in der Gruppe der hereditären sensorisch-autonomen Neuropathien (HSAN). Wesentliches Merkmal der HSAN ist die Neigung der Patienten zu schweren Verletzungen aufgrund der fehlenden Schutzfunktion von Schmerz. Klinisch ähnlich äußert sich die angeborene Schmerzunempfindlichkeit. Sie wird primär durch eine veränderte Erregbarkeit schmerz-leitender Fasern aufgrund von Mutationen in spannungsgesteuerten Natriumkanälen verursacht. Im Gegensatz zu HSAN besteht häufig keine Neurodegeneration. Mutationen der entsprechenden Natriumkanäle können jedoch auch zum gegenteiligen klinischen Bild mit starken, zum Teil episodischen Schmerzen führen. Kommt es zum Absterben kleiner sensibler Nervenfasern spricht man häufig von einer „Small-Fiber-Neuropathie".

Die Funktion der ursächlichen Genprodukte ist teils sehr unterschiedlich, sie spielen u.a. eine Rolle bei der Strukturgebung intrazellulärer Organellen, dem Sphingolipidmetabolismus und der Neurotrophinsignaltransduktion. Auch epigenetische Regulationsmechanismen scheinen eine zentrale Rolle bei der HSAN einzunehmen. Spannungsgesteuerte Ionenkanäle sind entscheidend für die elektrische Erregbarkeit von Schmerzfasern und drei von den neun in Säugern bekannten spannungsgesteuerten Natriumkanälen (NaV) spielen eine Rolle bei monogenetischen Schmerzsyndromen. Sie sind zudem vielversprechende Angriffspunkte für eine Schmerztherapie.

Wir konnten in unserer Arbeitsgruppe eine Reihe neuer Gene identifizieren, die zu den o.g. Erkrankungen führen. Hierbei kommen aktuell insbesondere die Techniken der Hochdurchsatzsequenzierung (Next-Generation-Sequencing) zum Einsatz. Mit Hilfe von Modell-systemen versuchen wir, die Funktion der entsprechenden Gene zu verstehen. Wir erhoffen uns hiervon Kenntnisse sowohl in Bezug auf das Langzeitüberleben von Nervenzellen und der Schmerzverarbeitung sowie auch Ideen für die Entwicklung von Therapieansätzen.


Abbildung: Membranformende Proteine, deren Mutationen zur Neurodegeneration führen (Quelle: Hübner & Kurth, BRAIN, Grafik: Manja Schiefer).

Die Projekte wurden zuletzt durch die Heisenberg-Professur „Molekulare Neurogenetik" der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Einzelne Projekte erhalten aktuell eine Förderung im Einzelantragverfahren der DFG.

 

Themenbezogene Veröffentlichungen der Arbeitsgruppe (Auswahl):

1. Leipold E, et al. 2015. Cold-aggravated pain in humans caused by a hyperactive NaV1.9 channel mutant. Nat Commun. 2015; 6:10049.

2. Chen YC, et al. 2015. Transcriptional regulator PRDM12 is essential for human pain perception. Nat Genet; 47(7):803-8.

3. Khaminets A, et al. 2015. Regulation of endoplasmic reticulum turnover by selective autophagy. Nature.;522(7556):354-8

4. Hübner CA & Kurth I. 2014. Membrane-shaping disorders: a common pathway in axon degeneration. Brain.;137(Pt 12):3109-21

5. Kornak U, et al. 2014. Sensory neuropathy with bone destruction due to a mutation in the membrane-shaping atlastin GTPase 3. Brain; 137(Pt 3):683-92.

6. Leipold E, et al. 2013. A de novo gain-of-function mutation in SCN11A causes loss of pain perception. Nat Genet 45: 1399-1404.

7. Koehler K et al. 2013 Mutations in GMPPA cause a glycosylation disorder characterized by intellectual disability and autonomic dysfunction. Am J Hum Genet; 93(4):727-34

8. Kurth I, et al. 2009. Mutations in FAM134B, encoding a newly identified Golgi protein, cause severe sensory and autonomic neuropathy. Nat Genet; 41(11):1179-81.

 

Ansprechpartner:

Univ.-Prof. Dr. med. Ingo Kurth
Tel.: 0241 80-80179
ikurthukaachende

Dr. rer. nat. Katja Eggermann
Tel.: 0241 80-88008
keggermannukaachende

Dr. rer. nat. Natja Haag
Tel.: 0241 80-80723
nhaagukaachende

Dr. rer. nat. Florian Kraft
Tel.: 0241 80-80723
fkraftukaachende

 

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