Medizinische Fachangestellte 4.0

Nachgefragt bei Dr. Ivo Grebe, Ärztekammer Nordrhein

Wie sieht die Zukunft aus?

Es gibt Berufe, da stimmt einfach alles: abwechslungsreiche Tätigkeit, selbstständiges Arbeiten, nettes Team, verständnisvolle Chefs, gute Bezahlung, geregelte Arbeitszeit, gute Perspektiven.

Der Beruf der Medizinischen Fachangestellten (MFA) ist ein solcher Beruf. Natürlich nur im Idealzustand. In der Praxisrealität sieht doch manches anders aus: stressiges Arbeiten unter Zeitdruck, vielfältige organisatorische Aufgaben neben der fachspezifischen Assistenz, manchmal schlechte Stimmung im Team, anspruchsvolle Chefs und ein Haufen von Routinearbeiten, die erledigt werden müssen, ohne dass dabei Freude aufkäme.

Dennoch: der Beruf der MFA ist sehr attraktiv. In den Jahren 2015/2016 sind in Nordrhein mehr als 5.000 Ausbildungsverträge abgeschlossen worden, Tendenz steigend. Dies liegt zu einem an der steigenden Zahl der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte. Zum anderen steigt der Bedarf aufgrund der Komplexität der Aufgaben, die frühere „Arzthelferin“ ist ersetzt worden durch eine fachlich qualifizierte Assistenzkraft, die in den Bereichen der Rezeption, der Patientenversorgung, der Verwaltung, an verschiedenen PC-Programmen, im Labor oder bei der technischen Assistenz im Rahmen invasiver diagnostischer und therapeutischer Eingriffe ihr Können unter Beweis stellen muss. Hinzugekommen sind in den letzten Jahren vielfältige Weiterbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten, die größtenteils von den Ärztekammern, zum kleineren Teil auch von den Berufsverbänden angeboten werden. Und die Zukunft? – Gerade in der Medizin schreitet die Digitalisierung mit großen Schritten voran. Während Patientenverwaltung, Rezeptdruck und Kassenabrechnung schon seit Jahren nur noch IT-gesteuert umgesetzt werden, sind dank des sogenannten eHealth-Gesetztes aus dem Jahre 2015 die nächsten Schritte schon in Sichtweite: elektronischer Datenabgleich über die Versichertenkarte, elektronischer Arztbrief, Notfalldaten- und Medikamentenplanspeicherung auf Chipkarte usw. Die elektronische Patientenakte ist in vielen Praxen und Krankenhäusern bereits Realität.

Diese Entwicklungen – der Ausbau der Digitalisierung im Gesundheitswesen bis 2030 – werden auch nachhaltige Auswirkungen auf das Tätigkeitsfeld der MFA haben. Verlangt wird ein Know-how im Umgang mit digitaler Technik und eine Qualifizierung, die zukunfts sicher den technologischen Wandel umsetzt und mitträgt. Nicht aus den Augen verlieren darf man dabei, dass Datenschutz und -sicherheit in Zukunft immer wichtiger werden. Je mehr PCs , je mehr EDV und IT-Technologie zum Einsatz kommen, um so größer ist die Gefahr von Hackerangriffen, von Viren oder Trojanern, die die gesamte Praxissoftware lahmlegen und
sensible Patientendaten abgreifen können. Im letzten Jahr ist sind allein in der Städteregion Aachen zwei Krankenhäuser Opfer von Hackerangriffen geworden. Hier besteht die besondere Verantwortung der MFA darin, rechtzeitig solche Gefahren zu erkennen und für den Notfall im Umgang damit gerüstet zu sein.

Trotz dieses Zukunftsszenarios: die Kernkompetenz einer Medizinischen Fachangestellten bleibt der freundliche und empathische Umgang mit dem Patienten. Denn bei allem technischen Fortschritt sind die Zuwendung, das aktive Zuhören und der menschliche Umgang die Hauptelemente jedes medizinischen Assistenzberufes. Die Patientin, der Patient braucht jemanden, der ihm für den kurzen Aufenthalt in der Praxis oder der Ambulanz Orientierung und Verständnis vermittelt, der ihn freundlich und professionell betreut und sein Anliegen ernst nimmt. Das ist die Aufgabe und Herausforderung für den Arzt genauso wie für die MFA – beide arbeiten Hand in Hand zum Wohle des Patienten. Dankbare und zufriedene Patienten sind die wichtigsten Motivatoren, die der Tätigkeit als MFA mit ihren vielfältigen Herausforderungen Wertschätzung und Zufriedenheit geben können. In vielen Bereichen medizinischer Institutionen – Krankenhäusern wie Praxen – weht mittlerweile der kalte Wind der Ökonomie, die Patientenversorgung wird zunehmend einer wirtschaftlichen Orientierung angepasst. Nicht nur die Ärzteschaft, auch die MFA sind aufgerufen, sich dieser „ökonomisch gesteuerten“ Neuausrichtung entgegen zu stellen. Für die MFA liegt die künftige Herausforderung darin, den Spagat zwischen technischem Fortschritt und Menschlichkeit hinzubekommen, die Grundwerte menschlicher Empathie zu bewahren und den ökonomischen Druck nicht auf den Umgang mit den Patienten zu übertragen. Zugegeben – keine leichte Aufgabe. Die Ärzteschaft wird sie dabei unterstützen.

Dr. Ivo G. Grebe, Ärztekammer Nordrhein, Vorsitzender Kreisstelle Aachen-Stadt