HPV-Impfung

Nachgefragt bei Prof. Elmar Stickeler

Die Impfung gegen Humane Papillomviren zum Schutz vor Gebärmutterhalskrebs wird seit 2007 für Mädchen empfohlen, seit Kurzem sogar auch für Jungen. Doch wie gefährlich sind HPV-Infektionen wirklich, wovor schützt die Impfung und wer sollte sich wann am besten impfen lassen? Wie hoch ist das Risiko für Gebärmutterhalskrebs ohne und wie hoch mit Impfung? Wir haben bei Univ.-Prof. Dr. med. Elmar Stickeler, Direktor der Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin an der Uniklinik RWTH Aachen, nachgefragt.
 

Herr Prof. Stickeler, was genau ist HPV?

Prof. Stickeler: Humane Papillomviren, man nennt sie auch HPV oder HP-Viren, sind Krankheitserreger, die Entzündungen und Hautveränderungen hervorrufen können. Diese Viren sind so verbreitet, dass sich 70 bis 80 Prozent aller Menschen im Laufe ihres Lebens anstecken, meist unbemerkt. Sie verursachen vor allem Erkrankungen im Genital- und Analbereich. Mehr als 200 verschiedene HPV-­Typen sind inzwischen bekannt. Einige davon, sogenannte Niedrig-Risiko-­HPV-Typen, können Haut- und Genitalwarzen verursachen. Hoch-Risiko-­HPV-Typen hingegen können unter anderem bestimmte Krebsarten und Krebsvorstufen auslösen. Es gibt rund zwölf dieser sogenannten Hoch-Risiko-­Erreger, bei denen die Gefahr für eine Zellentartung besonders groß ist. Darunter vor allem HPV 16 und 18.


Wie überträgt sich der Virus und wie macht sich eine Infektion bemerkbar?

Prof. Stickeler: Die Humanen Papillom­viren gehören zu den häufigsten sexuell übertragenen Viren. Jeder kann sich durch Haut- und Schleimhautkontakte mit anderen Menschen anstecken. In seltenen Fällen ist eine Infektion aufgrund einer Schmierinfektion durch Gegenstände möglich. Die Übertragung kann auch während einer Geburt von der Mutter auf das Neugeborene geschehen. Das Tückische ist, dass eine Infektion mit HPV zu Anfang häufig unbemerkt bleibt, da sie zunächst oft beschwerdefrei einhergeht. Auch hervorgerufene Krebsvorstufen sind oftmals symptomlos und werden darum erst durch Vorsorgeuntersuchungen entdeckt. Die häufigste Erkrankung nach einer HPV-Infektion sind Genitalwarzen und gutartige Hautwucherungen, die Juckreiz und Blutungen verursachen können.


Welche HPV-bedingten Erkrankungen gibt es?

Prof Stickeler: HPV kann Krebs im Genital-, Anal- und im Kopf-Hals-­Bereich sowie Genitalwarzen verursachen. Bei Frauen verursachen HP-Viren am häufigsten Gebärmutterhalskrebs. Rund 90 Prozent aller Gebärmutterhalskarzinome werden durch HPV ausgelöst. Bei Männern kann der Virus Penis und After befallen und dort ebenfalls Krebs hervorrufen. Auch Mund, Rachen und Kehlkopf gehören zu den betroffenen Bereichen.


70 BIS 80 %
ALLER MENSCHEN INFIZIEREN SICH IM LAUFE IHRES LEBENS MIT HPV.


Wie kann man sich schützen?

Prof Stickeler: Eine Therapie gegen die Humanen Papillomviren gibt es aktuell leider noch nicht. Allerdings ist seit dem Jahr 2006 für Mädchen und Frauen zwischen 9 und 26 Jahren eine prophylaktische Impfung verfügbar, die zu den wichtigsten Präventionsmaßnahmen gehört. Seit 2018 wird die HPV-Impfung von der Ständigen Impfkommission auch ausdrücklich für Jungen und Männer empfohlen. Sind sie geimpft, schützen sie nicht nur sich, sondern auch ihre Partnerinnen.


Warum sollte man sich impfen lassen?

Prof. Stickeler: Es gibt jährlich circa 60.000 Fälle von HPV-bedingten Gebärmutterhalskrebsvorstufen und rund 7.800 durch HPV ausgelöste Krebserkrankungen bei Männern und Frauen. Auch wenn die HPV-Impfung immer wieder Grundlage von Diskussionen hinsichtlich Nebenwirkungen und Komplikationen war, ermöglicht sie nachgewiesen den Schutz vor den Hoch-Risiko-Virustypen 16 und 18 und vermindert somit das Risiko von Gebärmutterhalskrebs, und je nach verwendetem Impfstoff auch anderer Krebserkrankungen wie eben des Afters, der Mundhöhle und des Rachens. Die Impfung ist eine vorbeugende Maßnahme. Sie wirkt nicht, wenn bereits eine Infektion mit dem Virustyp besteht, gegen den sich der Impfstoff richtet beziehungsweise sie verliert an Effektivität, wenn bereits eine Infektion mit einem der relevanten HPV-Typen erfolgt ist. Dennoch gilt: Einen hundertprozentigen Schutz gibt es nicht. Die Impfung kann nicht grundsätzlich jede Infektion mit krebs­auslösenden HPV-Typen verhindern.


Wann ist der beste Zeitpunkt für die Impfung?

Prof. Stickeler: Je früher, desto besser. Da es schon beim ersten Sexualkontakt zur Infektion mit HPV kommen kann, ist es am besten, Mädchen und Jungen bereits vor dem ersten Sexualverkehr zu impfen – idealerweise im Alter von 9 bis 14 Jahren. Zudem reagiert das Immunsystem umso besser auf die Impfung, je jünger die geimpfte Person ist. Bis zum Alter von 14 Jahren sind daher nur zwei Dosen Impfstoff nötig anstatt später drei Impfungen. Die Nachimpfungen sollten spätestens im Alter von 17 Jahren nachgeholt werden.


+ 200
VERSCHIEDENE HPV-TYPEN SIND BEREITS BEKANNT.


Wird dann die Krebsfrüherkennung überflüssig?

Prof. Stickeler: Nein, auf keinen Fall. Bisher ersetzt die Impfung eine regelmäßige Krebsvorsorgeuntersuchung nicht, da sie sich nicht gegen alle krebsauslösenden HP-Viren richtet. Somit sind auch weiterhin chronische Infektionen und in seltenen Fällen Gebärmutterhalskrebs möglich. Deshalb ist die Krebsfrüherkennung auch bei geimpften Frauen nach wie vor wichtig.


Wie verträglich ist die Impfung?

Prof. Stickeler: Bisherige Studien zeigten keine ernsthaften Nebenwirkungen. Wie bei anderen Impfungen auch können vorübergehende Hautreaktionen an der Einstichstelle auftreten, zum Beispiel Schmerzen, Rötungen oder Schwellungen. Seltener kommt es zu Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Muskelschmerzen, Müdigkeit oder Fieber.


Wann sollte nicht geimpft werden?

Prof. Stickeler: Es gibt nur wenige Fälle, in denen nicht geimpft werden darf, beispielsweise bei Fieber, einer Infektion oder während einer Schwangerschaft, ebenso bei einer vorliegenden Allergie gegen den Impfstoff oder einen seiner Bestandteile. Falls es bei der ersten Spritze zu allergischen Reaktionen kommt, sollte keine zweite Spritze gegeben werden.


Reicht die Verhütung mit Kondom nicht aus?

Prof. Stickeler: Nein, Kondome bieten keinen effektiven Schutz vor einer HPV-Infektion. Sie verringern zwar die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung, stellen aber keinen wirklichen Schutz dar. Denn auch eine Infektion über die Haut kann dadurch nicht ausgeschlossen werden. Ungeimpft kann man sich immer wieder infizieren.


Macht die Impfung auch Sinn bei Frauen über 18 oder nach dem ersten Sex?

Prof. Stickeler: Prinzipiell hängt die Wirkung der Impfung nicht vom Alter der Person ab, sondern davon, ob sie bereits Sex hatte und sich dabei mit HPV infiziert hat. Die Wahrscheinlichkeit einer Infektion steigt mit der Anzahl der Sexualpartner. Die Impfung schützt nur vor den Virus­typen, mit denen man sich noch nicht angesteckt hat.


Wie lange hält der Impfschutz an?

Prof. Stickeler: Es lässt sich derzeit noch nicht konkret sagen, ob der Impfschutz ein Leben lang anhält beziehungsweise ob und gegebenenfalls wann eine Auffrischungsimpfung sinnvoll ist. Um das beurteilen zu können, muss man die Entwicklung über einen langen Zeitraum betrachten. Zum jetzigen Zeitpunkt kann man aber sagen, dass die Impfung mindestens sechs Jahre wirkt. So lange wurden die Studienteilnehmerinnen bisher beobachtet.


~ 6.250
FRAUEN UND 1.600 MÄNNER ERKRANKEN JEDES JAHR AN HPV-BEDINGTEN TUMOREN.


Übernehmen die Krankenkassen die Kosten?

Prof. Stickeler: Die HPV-Impfung wird im Alter von 9 bis 17 Jahren von allen Krankenkassen übernommen. Einige Krankenkassen zahlen die Impfung auch darüber hinaus bis zum Alter von 26 Jahren. Am besten informieren sich Interessierte bei der eigenen Krankenkasse.


Wie hoch ist das Risiko für Gebärmutterhalskrebs ohne und wie hoch mit Impfung?

Prof. Stickeler: Insgesamt kann hierzu noch keine endgültige Aussage getroffen werden, da die Impfung ja noch nicht so viele Jahre durchgeführt wird und die bisher geimpften Mädchen erst jetzt in die Phase der potentiellen Infektion mit den HP-­Viren kommen. Wenn die Impfung langfristig schützt, würde dies nach den durchgeführten Hochrechnungen bedeuten, dass anstatt 30 nun etwa 10 von 1.000 Frauen im Laufe ihres Lebens an Gebärmutterhalskrebs erkranken würden, sofern sie nicht an der Früherkennung teilnehmen, und das Risiko damit um über 60 Prozent reduzieren.

Univ.-Prof. Dr. med. Elmar Stickeler