Drittmittelgeförderte Forschungsprojekte (2007-2017)

Nachstehend finden Sie ausführlichere Informationen zu unseren drittmittelgeförderten Forschungsprojekten von 2007 bis 2017.

Lehr und Forschungsprojekt „Lernen am medizinischen Sammlungsobjekt: Instrumente und Geräte in der ärztlichen (Aus-)Bildung"

Im Sommersemester 2014 wurde an unserem Institut das erste Mal ein Kurs mit dem Thema "Lernen am medizinischen Sammlungsobjekt: Instrumente und Geräte in der ärztlichen (Aus-)Bildung" angeboten. Das Vorhaben wurde von der Initiative "SammLehr -- an Objekten lehren und lernen" der Mercator-Stiftung gefördert und stand unter der Leitung von Prof. Dominik Groß, Walter Bruchhausen und Mathias Schmidt.

Häufig wird das gesamte Potential von medizinhistorischen Sammlungen nicht voll ausgeschöpft. Zum Beispiel werden Objekte in der Lehre oft nicht berücksichtigt.

Dabei bieten sie aber die optimale Chance, die kulturelle Dimension ärztlicher Tätigkeit in all ihren Facetten deutlich werden zu lassen: Instrumente verkörpern Wirksamkeit, Handlungsmacht und Fortschritt, gleichzeitig jedoch auch Gefahr, Hilflosigkeit und Schmerz. Im Alltag werden sie eher zweckorientiert in Gebrauch genommen, während eine historisch und funktionell orientierte Reflektion und Rückführung auf die Wirkprinzipien unterbleibt.

Vor diesem Hintergrund verfolgt das Projekt anhand ausgesuchter Objekte der Medizinhistorischen Sammlung unseres Instituts die folgenden Zielsetzungen:

1. Verdeutlichung der Auswirkungen selbst einfacher Instrumente auf das Arzt-Patient-Verhältnis

Für den Arzt des 21. Jahrhunderts sind Instrumente ein wenig hinterfragter Bestandteil des Berufsalltags, ein "Mittel zum Zweck" und "Handwerkszeug": Sie sind jederzeit greifbar und werden routinemäßig -- en passant -- benutzt.

Für den Patienten haben viele Instrumente jedoch eine emotionale Komponente: Sie wecken Gefühle (z.B. Hoffnung, Angst, Kontrollverlust, Hilflosigkeit) und nehmen so Einfluss auf die Arzt-Patient-Beziehung.

2. Re-Etablierung einer grundlegenden Material- und Instrumentenkunde

Angezielt wird eine Schulung, die sich nicht in der Benennung von Gerätschaften oder in Bedienungsanleitungen erschöpft, sondern in der Rekonstruktion des Entwicklungsprozesses ausgewählter Instrumente zugleich die Grundlagen des Fortschritts und der Technik bzw. zugrunde liegende Wirkprinzipen erklärt und so praxisrelevantes Wissen vermittelt.

3. Visuell-haptische Auseinandersetzung mit Sammlungsobjekten

Schließlich gehört es zu den Zielen, die makroskopisch-haptische Dimension der eigenen Sinneserfahrung durch die Einführung in die Handhabung dreidimensionaler Instrumente zurückzugewinnen bzw. zu stärken.

Exzellenz-Projekt "Web 2.0 Diskurse über Großtechnologien (WebDisk): Computergestützte Erfassung, Risikobewertung und zielgruppenspezifische Kommunikation" (DFG- Exzellenzinitiative)

Das Exzellenzprojekt WebDisk wurde im Herbst 2012 zur Förderung ausgewählt. Es setzte bei den methodischen und inhaltlichen Erträgen des transdisziplinären Projekts „H-UMIC“ an. Das Verfahren richtete seinen Fokus (1) methodisch und (2) evaluativnormativ auf die Untersuchung schwach-strukturierter Diskurse im Internet („Web 2.0 Diskurse“) und nahm somit spezifisch technikbezogene Austauschprozesse in den Neuen Medien in den Blick. Projektkoordinator war Prof. Dr. Rudolf Mathar, als Projektpartner fungierten Prof. Dr. Eva-Maria Jakobs und Dominik Groß.

Kurzbeschreibung des Projekts

Die Untersuchung erfolgt am Beispiel von Großtechnologien, insbesondere der Energietechnik:

(1) Methodisch verfolgt das Projekt das Ziel, ein Tool zur automatisierten Gewinnung, Analyse und Auswertung meinungsindizierender und/oder -bildender Bewertungen in Blogkommentaren zu entwickeln (Projektphase 1, Monate 1-24). Der Entwicklungsfokus richtet sich auf die Untersuchung sprachlicher Formen und Verfahren der Meinungsbildung im Web, mit dem sich verschiedene Disziplinen befassen. Insbesondere sollen die gewonnenen Meinungsbilder zur Akzeptanzerforschung von Großtechnologien nutzbar gemacht werden. Besagtes Tool soll die disziplinenspezifische Forschungsarbeit unterstützen, z. B. durch die Identifikation und Analyse von Nutzerbewertungen in user generated content. Der im Projekt betrachtete Teilausschnitt sind Blogs (Blogartikel und -kommentare).

(2) An die vorgenannte Methodenentwicklung und -analyse schließt sich eine evaluativnormative Phase an, in der die technikbezogene Risikowahrnehmung und -evaluation und – in der Konsequenz – die Akzeptanzfaktoren in besagten Webdiskursen systematisch ausgewertet werden, um diese nachfolgend für eine zielgruppenspezifische Risikokommunikation.

Tech4p - Strategien für die Technologieintegration bei personenbezogenen Dienstleistungen (BMBF)

2012 wurde an unserem Institut ein Teilprojekt des Forschungsvorhabens "Tech4P" gestartet. Projektpartner in diesem BMBFgeförderten Projekt waren die Einrichtungen FIR e.V. (Aachen), Philips Healthcare Deutschland (Hamburg), Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA (Stuttgart), Kundendienst- Verband Deutschland e. V. (Dorsten) und das Institut für Arbeitswissenschaft (IAW) der RWTH Aachen.

Kurzbeschreibung des Projekts

Das Projektziel von Tech4P besteht in der Entwicklung von Strategien zur Unterstützung personenbezogener Dienstleistungen durch den Einsatz von modernen Technologien. Dabei gilt es gezielt die Frage nach der Akzeptabilität der Technik aus den Perspektiven des Dienstleistungserbringers und des Dienstleistungsempfängers zu beantworten und die aus dieser Analyse abgeleiteten Anforderungen in das Vorhaben zu integrieren. Zudem wird eine Roadmap für die erforderlichen Maßnahmen zur Technologieintegration aus den Perspektiven Mensch, Organisation und Technik aufgebaut. Das Ende 2012 angelaufene ethisch-soziologische Teilprojekt liegt in den Händen von Dominik Groß. Ziel ist es, die ethischen und sozialen Aspekte des Technikeinsatzes bei personenbezogenen Dienstleistungen im Gesundheitswesen zu eruieren und mögliche Potentiale auszuloten. Darauf basierend soll in einem virtuellen Szenario aufgezeigt werden, welche ethischen Fragestellungen bei zukünftigen personenbezogenen Dienstleistungen relevant werden können.

Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen die sieben nachfolgend aufgelisteten Arbeitsschritte:

  1. Analyse der Technikakzeptanz aus den Perspektiven des Dienstleistungserbringers und des Dienstleistungsempfängers auf der Personenebene,
  2. Analyse ethischer Aspekte (Nutzen/Risiken, Potentiale/Bedenken) des Technikeinsatzes bei personenbezogenen Dienstleistungen im Gesundheitswesen,
  3. Analyse zukünftiger ethischer und soziologischer Herausforderungen und Anforderungen an die Gestaltung von Wertschöpfungssystemen,
  4. Abschätzung der Folgen einer zunehmenden Annäherung von Technologie an den Menschen (Human-Technology-Interaction),
  5. Szenarioentwicklung (Leitende Frage: Welche ethischen Fragestellungen können bei zukünftigen personenbezogenen Dienstleistungen Relevanz erlangen?),
  6. Akzeptanzbasierte Handlungsempfehlungen für die zukünftige, zielgerichtete Berücksichtigung ethischer Erfordernisse in der Erstellung personenbezogener Dienstleistungen,
  7. Erarbeitung einer Forschungslandkarte mit Informationen zu abgeschlossenen und aktuellen Forschungsvorhaben im Rahmen der Dienstleistungsforschung mit dem Schwerpunkt auf soziologischen und ethischen Fragestellungen

Forschungsprojekt „H-UMIC: Akzeptanzbewertung als integraler Bestandteil von Entwicklung und Ausbau komplexer technischer Systeme. Das Beispiel Mobilfunk“ (DFGExzellenzinitiative)

Am 1. April 2009 lief ein neues Forschungsprojekt zum Themenfeld Technikakzeptanz an. Das Projekt "HUMIC - Akzeptanzbewertung als integraler Bestandteil von Entwicklung und Ausbau komplexer technischer Systeme" war angesiedelt im interdisziplinären Projekthaus HumTec der RWTH Aachen, das im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder mit DFG-Mitteln gefördert wird. Ziel des Projekthauses war es, "interdisziplinäre Spitzenforschung zwischen den Geistes- und Sozialwissenschaften und den Ingenieur- und Naturwissenschaften zu fördern" (vgl. www.exzellenz.rwth-aachen.de/). Die Förderdauer betrug drei Jahre.

Die Bewertung komplexer technischer Systeme ist fragil, sie hängt ab von wahrgenommenen oder zugeschriebenen Eigenschaften und ihrer Bewertung durch Individuen und soziale Systeme. Im Projekt wird geprüft, wo (Prozessschritte) und wie (Verfahren und Methoden) im Prozess der Systementwicklung und Umsetzung Akzeptanzaspekte berücksichtigt werden sollten. Ziel des Projektes ist die Weiterentwicklung von Prozessen der Spezifikation, der Entwicklung, der Ausbauplanung, des Aufbaus und Ausbaus komplexer technischer Systeme durch die Integration von Akzeptanz als prozessimmanentem Faktor. Prozesse dieser Art erstrecken sich über große Zeiträume und erfordern hohe Investitionen. Die Grundannahme ist, dass Akzeptanz modelliert werden kann als Funktion objektbezogener wie nicht-objektbezogener Parameter und ihrer Bewertung durch Instanzen (Nutzer, Nichtnutzer, gesellschaftliche Systeme).

Die Verschränkung von Ingenieurwissenschaften und Humanities ergibt sich in zweifacher Weise: Die Humanities entwickeln in Kooperation mit den Ingenieurwissenschaften ein integratives Bewertungsmodell für komplexe technische Systeme unter Einbeziehung technischer Systemeigenschaften (sowie Methoden ihrer Erhebung und Relationierung). Ziel ist die Entwicklung von Ansätzen, die mit verschiedenen, auf einander abgestimmten Methoden Bewertungen komplexer technischer Systeme erfassen. Die Ansätze berücksichtigen unterschiedliche Betrachtungsebenen in ihrer Wechselwirkung (soziale, kulturelle, individuen- und gruppenbezogene, aber auch technische und ökonomische Größen) wie auch verschiedene Perspektiven (Nutzer vs. Nichtnutzer, Zielgruppen vs. Betreiber oder Entscheider) und daran gebundene Konflikte. Die Ingenieurwissenschaften modifizieren Prozesse der technischen Systementwicklung und -umsetzung unter Einbeziehung des Bewertungsmodells mittels mathematischer Modellierung und Simulation (von Akzeptanzurteilen und -verhalten über der Zeit). Die Modifikation erfolgt iterativ.

Lösungsansätze werden exemplarisch am Anwendungsbeispiel Mobilfunksysteme entwickelt und erprobt. Das Modell soll grundsätzlich auf andere komplexe technische Systeme übertragbar sein. Das an unserem Institut angesiedelte, von Dominik Groß geleitete Teilprojekt beschäftigt sich im Rahmen der Akzeptanzbewertung mit den tatsächlichen und den vermeintlichen gesundheitlichen Risiken und krankmachenden Faktoren von Mobilfunksystemen. Methodische Grundlagen sind Literaturanalyse und Webmining.

Dem Projektkonsortium gehören außerdem die RWTH-Professoren Rudolf Mathar (Theoretische Informationstechnologie, Koordination), Gerd Ascheid (Integrierte Systeme der Signalverarbeitung), Heather Hofmeister (Soziologie und Gender Studies, zugleich Prorektorin für Personal und Nachwuchs), Eva-Maria Jakobs (Textlinguistik und Kommunika-tionswissenschaften) und Martina Ziefle (Communication Science) an.

Forschungsprojekt AC-TEC: „Gender-related Acceptance, Usability and Ethics in New (Medical) Technologies“ (DFG Exzellenzinitiative)

Das im Juli 2009 genehmigte interdisziplinäre Forschungsprojekt zielte auf die Etablierung eines interdisziplinären RWTH-Forschungszentrums für "Gender-related Acceptance, Usability and Ethics in New (Medical) Technologies" (AC-TEC). Das im Exploratory Research Space@Aachen" (ERS) angesiedelte Projekt wurde im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder aus DFG-Mitteln finanziert (vgl. http://www.exzellenz.rwth-aachen.de/li/bt/sqr/?lang=de). Die Förderdauer war auf zwei Jahre angelegt; nach einem Jahr erfolgt eine Evaluation des Projekts.

Ausgangspunkt des Projektvorhabens war die Tatsache, dass 90% aller Innovationen am Markt scheitern. Besonders häufig fehlen (1) die konsequente Berücksichtigung der Bedürfnisse und Anforderungen der Kunden und deren aktive Einbeziehung in der Entwicklung von Produkten und Services, (2) die frühzeitige Herausarbeitung Akzeptanz hemmender bzw. fördernder Faktoren sowie (3) die Integration von Gender & Diversity Aspekten in die Forschungs- und Produktentwicklung. Die genannten Aspekte besitzen für die erfolgreiche Platzierung technischer und medizintechnischer Produkte am Markt besonders große Bedeutung. Gerade letztere sind in hohem Maße "menschennah" und abhängig von der Akzeptanz der diese Technik nutzenden Akteure.

Die RWTH Aachen besitzt ein hohes Potential für die Entwicklung von (Medizin-)Technik. Bisher fehlt die Ergänzung primär technikbezogener Ansätze durch die frühzeitige Analyse und Einschätzung von Anforderungsprofilen mit Bezug auf die Aspekte Gender & Diversity, Akzeptanz, Brauchbarkeit (Usability) und ethische Verantwortbarkeit. Ebenso mangelt es an Modellen für die Bewertung von (Medizin-)Technik, die verschiedene Betrachtungsebenen berücksichtigen und zusammenführen (z.B. genderbezogene, soziale, [medizin-]ethische, kognitive Größen).

Hierzu bedarf es einer Expertenplattform - einer integrierenden Instanz, die die vorhandenen Stärken und Expertisen bündelt, synergistisch zusammenführt und dezidiert für (medizin-)technische Forschung und Entwicklungsarbeit erschließt und verfügbar macht. Das Vorhaben versteht sich als integrativer Teil des an der RWTH Aachen auszubauenden Schwerpunkts (Medizin-)Technik sowie eines Clusters on Acceptance, Usability and Ethics. Aufgaben des Zentrums sind die Zusammenstellung und Verfügbarmachung von Kompetenzen und Forschungslaboratorien oder -einrichtungen an der RWTH Aachen, die Pflege und der Ausbau eines Akteur-Netzes und die Entwicklung von Kommunikationskonzepten für nutzerzentrierte Technik (für verschiedene Zielgruppen: Politik, Wirtschaft, Organisationen, Verbraucher). Eine weitere explizite Aufgabe des Zentrums ist die Identifizierung zukunftsträchtiger Forschungslinien und die Beschäftigung mit konkreten Anwendungsfeldern. Darüber hinaus eröffnet das Zentrum Wirkungsfelder wie die Beratung externer Einrichtungen, die Erstellung von Gutachten, die Serviceentwicklung (Akzeptanz-Gütesiegel), aber auch die Integration von Modulen in die ingenieurwissenschaftliche Hochschulausbildung.

Übergreifende Zielsetzung ist die Erweiterung einer vorwiegend produktgetriebenen Technologieentwicklung um eine an Nutzern und Anwendungsszenarien orientierten Perspektive. Die Plattform soll Mediziner, Medizintechniker, Ingenieurwissenschaftler und Informatiker mit sozial- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen zu einem gemeinsamen Zentrum zusammenführen. Sie profitiert von bereits laufenden Projekten und eröffnet durch Konzentrierung von Kräften einen wesentlich höheren Impact. Mittel- und langfristig ergibt sich ein Alleinstellungsmerkmal durch die systematische Verortung von Gender-, Usability-, Akzeptanz- und Ethik-Komponenten in allen Phasen der Produktentwicklung und -bewertung.

Das Projekt wird koordiniert von den Professoren Dominik Groß und Martina Ziefle (Communication Science). Dem Projektkonsortium gehören außerdem die RWTH-Professoren Eva-Maria Jakobs (Textlinguistik und Technik-Kommunikation), Heather Hofmeister (Soziologie und Gender Studies, zugleich Prorektorin für Personal und Nachwuchs) und Rolf Rossaint (Anästhesiologie und Telemedizin, zugleich Prorektor für Forschung) an.  

Weitere Informationen finden Sie auf der externen Webseite: www.ac-tec.rwth-aachen.de

Schlüsselthemen-Projekt „Tod und toter Körper. Zur Veränderung des Umgangs mit dem Tod in der gegenwärtigen Gesellschaft“ (Volkswagen-Stiftung)

Von November 2008 bis Juni 2012 lief an unserem Institut ein Forschungsprojekt mit dem Titel "Tod und toter Körper. Zur Veränderung des Umgangs mit dem Tod in der gegenwärtigen Gesellschaft". Es handelte sich um ein interdisziplinäres Vorhaben, das im Rahmen der Förderinitiative "Schlüsselthemen der Geisteswissenschaften" der Volkswagen-Stiftung ausgewählt wurde. Leiter des interdisziplinären Projekts waren neben Dominik Groß die drei Professores Andrea Esser (Marburg), Hubert Knoblauch (Berlin, zugleich Projektkoordinator) und Brigitte Tag (Zürich). An unserem Institut waren die Teilprojekte Medizingeschichte und Medizinethik angesiedelt. Projektbearbeiter waren Stephanie Kaiser (seit 2009) und Jens Lohmeier (seit 2010).

Ausgangspunkt des Projektverbundes ist die Frage, ob beziehungsweise inwiefern der gesellschaftliche Umgang mit dem Tod und dessen Bedeutung in der modernen Kultur einem grundlegenden Prozess der Veränderung unterliegt. Trifft es zu, dass nach einer langen Phase der "Tabuisierung" des Todes, die häufig als ein konstitutives Merkmal der Moderne angesehen wird, der Umgang mit dem Tod eine Veränderung in der heutigen Gesellschaft erfährt? Rückt der Tod gegenwärtig in das Zentrum der Aufmerksamkeit? Unterstützen die Methoden der Lebenswissenschaften durch ein apersonales und instrumentell geprägtes Verhältnis zum menschlichen Körper und zur Leiche diese Entwicklung? Führt dieses Verhältnis auch zu einer Neuorganisation kultureller Bedeutungen, die den Umgang mit dem Tod und dem toten Körper schließlich auch für das Individuum in diesem Sinne entscheidend verändern?

Diese Fragen werden in dieser Allgemeinheit gestellt, weil wir bislang über kein umfassendes gesichertes und integriertes Wissen darüber verfügen, welche Bedeutung der Tod in der modernen Kultur spielt. Zwar wird das Thema "Tod" von zahlreichen Einzeldisziplinen bearbeitet; die Frage aber, wie der Tod in unserer Kultur insgesamt behandelt wird, bleibt nach wie vor ungeklärt. Vor diesem Hintergrund stellt der kulturelle Umgang mit dem Tod ein ausgezeichnetes Beispiel für die Leistungsfähigkeit der Geisteswissenschaften dar, die sich nicht vor den Naturwissenschaften verschließen, sondern - was beim Umgang mit dem Tod nahe liegt - deren Erkenntnisse und Verfahrensweisen in einer integrierenden Betrachtung mit einbeziehen. Ziel ist es, sich dem Tod auf eine umfassende, verschiedene Disziplinen integrierende geisteswissenschaftliche Weise zu nähern, aber mit den jeweiligen Fallbezügen die naturwissenschaftliche Perspektive zu berücksichtigen und damit - so das mittelfristige Ziel - zu einer allgemeinen transdisziplinären Thanatologie beizutragen, die Lebenswissenschaften und Geisteswissenschaften verbindet.

Medizinhistorisch und -ethisch betrachtet stehen folgende Fragestellungen im Mittelpunkt: Wie hängt die langjährige Diskussion um das Transplantationsgesetz mit der gesellschaftlichen Haltung zur Sektion zusammen? Wie hat sich der ärztlich-medizinische Umgang mit der klinischen Sektion im Laufe der Zeit verändert? Welche normativen Aspekte sollten im Umgang mit dem Leichnam Berücksichtigung finden?

Neben den an unserem Institut bearbeiteten Teilprojekten Medizingeschichte und Medizinethik setzt ein weiteres Teilprojekt den Fokus auf philosophische Aspekte. Hierbei steht das spezielle Verhältnis der Person zum toten Körper und seine Beziehung zum "Selbst" im Zentrum. Ein Teilprojekt mit dem Titel "Praxis und soziales Wissen der Obduktion" stellt die Frage, wie die in Deutschland zu konstatierende Obduktionsmüdigkeit zu erklären ist. Hierbei soll eine Medienanalyse die medial vermittelte Bedeutung der Obduktion beleuchten, denn die (forensische) Obduktion ist besonders im Fernsehen ein beliebtes Serienthema geworden. Ein rechtswissenschaftliches Teilprojekt schließlich unterzieht die vorhandenen gesetzlichen Regelungen und Stellungnahmen zur Sektion einer systematischen Analyse.

START-Projekt „Stigmatisierung von Patienten mit Anorexie aus medizinethischer und jugendpsychiatrischer Sicht“ (Medizinische Fakultät der RWTH Aachen)

Zum Jahreswechsel 2008/2009 startete das am Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin angesiedelte und in Kooperationspartnerschaft mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie des UKA durchgeführte Projekt zur Stigmatisierung von Personen mit Anorexia nervosa. Das von Dominik Groß initiierte Vorhaben wurde im Rahmen des STARTProgramms der Medizinischen Fakultät der RWTH gefördert und endete im September 2011. Die Projektleitung lag seit August 2009 bei Dr. Ulrich Hagenah. Projektbearbeiter waren Jean-Philippe Ernst und Vasilija Simonovic vom Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin. Zur Projektgruppe gehörten weiterhin die Dipl.-Psychologin Cornelia Claudia Ploeger und die Doktorandin Andrea Tappe sowie die Studentischen Hilfskräfte Angelina Dongauser, Jennifer Senderek, Carmen Parisi und Saskia Wilhelmy.

Kurzbeschreibung des Projekts

Stigmatisierung ist laut einem Bericht des U. S. Department of Health & Human Services von 1999 eine wichtige Barriere für die Inanspruchnahme einer Therapie psychischer Störungen. Dies gilt wahrscheinlich auch für Anorexia nervosa, da diese von der Mehrheit der Laien als selbstverschuldet bzw. familiär verursacht betrachtet wird. Während zahlreiche Studien die Stigmatisierung von Menschen mit Schizophrenie oder Depressionen untersucht haben, bestehen in Hinblick auf Stigmatisierung bei Anorexia nervosa noch große Forschungslücken.

Das Projekt versuchte sich einigen dieser Fragestellungen anzunehmen.

Zunächst wurde das Ausmaß der Stigmatisierung von Menschen mit Anorexia nervosa und deren Angehörigen sowie die psychosozialen Folgen der Stigmatisierung bestimmt. Dazu wurden ehemalige Patientinnen und deren Angehörige mit Hilfe von Fragebögen zu ihren Stigmatisierungserfahrungen befragt. Dabei wurden a) die Fremdstigmatisierung, b) die Selbststigmatisierung der Patienten, c) die Stigmatisierung des sozialen Umfelds (Courtesy Stigma) sowie d) die Stigmatisierung im medizinischen Kontext differenziert. In den Antworten

der Betroffenen ließen sich starke Hinweise für all diese Formen von Stigmatisierung finden.

Des Weiteren wurde untersucht, ob und inwiefern die Medizin zur Stigmatisierung von Menschen mit Anorexie beiträgt. Einige Studien belegen eine Stigmatisierung von Patienten mit Essstörungen gerade im medizinischen Kontext. Der Grund dafür könnte sein, dass nicht nur in den Massenmedien, sondern auch bei vielen Ärzten rein soziopsychologische Erklärungsmodelle zur Pathogenese von Anorexie vorherrschen, aufgrund derer die Krankheit als selbst- oder elternverschuldet betrachtet wird. Um dieser Hypothese nachzugehen,

wurde erstens anhand der einschlägigen Fachliteratur der letzten zehn Jahre geklärt, inwieweit soziopsychologische oder biologische Faktoren der Pathogenese angenommen werden, und ob und wann dabei ein Paradigmenwechsel feststellbar ist. Hierbei zeigte sich wie erwartet

im letzten Jahrzehnt eine Zunahme von Artikeln, die biologische Aspekte in den Vordergrund stellen. Zweitens wurden Medizinstudierende des 1. und des 10. Fachsemesters nach ihrem Wissen und ihren Einstellungen zu Personen mit Anorexia nervosa befragt. Es ergab sich, dass trotz einer im Studium zunehmenden Akzeptanz biologischer Ursachen auch im 10. Fachsemester weiterhin vor allem soziopsychologische Ursachen angenommen werden. Drittens wurde eine entsprechende Fragebogenstudie bei niedergelassenen Aachener Ärztinnen und Ärzten aller Fachdisziplinen durchgeführt, die zu einem ähnlichen Ergebnis kam.

Eng verbunden mit dieser Thematik ist die auch aus ethischer Sicht sehr relevante Fragestellung, wie effektive Maßnahmen zur Reduzierung von Stigmatisierung aussehen könnten. Diese werden insgesamt kontrovers diskutiert, da bei einigen Kampagnen der Nutzen unklar ist oder sogar adverse Effekte aufgetreten sind. In einer dazu durchgeführten Literaturstudie ließen sich keine spezifischen Anti-Stigma-Kampagnen für Anorexia nervosa finden. Zwei empirische Studien weisen zwar darauf hin, dass die Vermittlung biologischer Erklärungsmodelle Schuldvorwürfe signifikant weniger befördert als die Vermittlung soziopsychologischer

Modelle. Allerdings gingen solche biologistischen Ansätze z.B. bei Schizophrenie mit der Verstärkung anderer Vorurteile einher. Die Befragung der Medizinstudierenden im Rahmen dieses Projektes erbrachte ebenfalls Hinweise auf Gefahren eines solchen Ansatzes. Alternative Anti-Stigma-Strategien, beispielsweise die Vermittlung von Kontakt zu aktuell oder ehemalig Betroffenen sowie der Protest gegen bestehende Diskriminierung, wurden für Anorexia nervosa bislang noch überhaupt nicht in den Blick genommen.

Im Projekt wurde u. a. eine Homepage mit Informationen zu Stigmatisierung bei Anorexia nervosa (www.anorexie-projekt.de) und einem Online-Forum, das allerdings auf kein Interesse stieß, erstellt. Am 30. März 2011 fand am UKA ein Workshop zum Thema Stigmatisierung

bei Anorexia nervosa statt, bei dem die Ergebnisse des Projekts vorgestellt und Konzepte für ein Folgeprojekt diskutiert wurden. Ende 2011 wurde der Band „Stigmatisierung bei Anorexia nervosa“ von Jean-Philippe Ernst, Vasilija Simonovic, Dominik Groß, Beate Herpertz Dahlmann und Ulrich Hagenah herausgegeben. Weitere Veröffentlichungen stehen für 2012 an, so u. a. die Dissertation von Andrea Tappe. Darüber hinaus konnten Erkenntnisse des Projektes bei der Formulierung eines Antrags für ein Lehrprojekt herangezogen werden.

START-Projekt „Leitende Aachener Klinikärzte im ,Dritten Reich‘ unter Berücksichtigung der Gründungsordinarien und Lehrbeauftragten des späteren Universitätsklinikums“ (Medizinische Fakultät der RWTH Aachen)

Von November 2008 bis Januar 2011 lief an unserem Institut ein von Dominik Groß initiiertes und von Gereon Schäfer geleitetes Forschungsprojekt zur Rolle Leitender Aachener Klinikärzte im Dritten Reich. Als klinischer Kooperationspartner fungiert die Aachener Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Das Projekt wird im Rahmen des START-Programms von der Medizinischen Fakultät der RWTH Aachen gefördert und ist auf 18 Monate angelegt. Wir halten es für besonders bemerkenswert, dass dieser Antrag in die Förderung aufgenommen worden ist - nicht allein in Anbetracht der geringen Förderquote im START-Programm, sondern vor allem angesichts der Tatsache, dass sich das Thema NS-Medizin von den übrigen geförderten (experimentell bzw. klinisch ausgerichteten) Projekten deutlich abhebt. Als federführender Projektbearbeiter fungierte Richard Kühl. Dem Projektteam gehörten des Weiteren Jürgen Schreiber sowie die Doktoranden Klaus Bildstein, Carola Döbber und Katharina Mahr an. Zur erweiterten Projektgruppe mit dem Schwerpunkt "Medizin und Nationalsozialismus" zählten darüber hinaus Stefanie Westermann (Eugenik/Zwangssterilisation und Euthanasie), Tim Ohnhäuser (Suizide jüdischer Ärzte im Dritten Reich), Christine Knust (Eugenik/ "Rheinlandbastarde") und Jens Lohmeier (Reservelazarett Aachen im Dritten Reich).

Kurzbeschreibung des Projekts

Seit den 1990er Jahren erfolgt in Deutschland eine zunehmend flächendeckende Aufarbeitung der Rolle der Ärzte in (Universitäts-)Kliniken und deren Vorgänger-Institutionen im Dritten Reich. Ausschlaggebend hierfür sind die dezidierte Förderung der Aufarbeitung der Medizin im Nationalsozialismus durch die organisierte Ärzteschaft, die Krankenkassen und das BMGS sowie eine gewachsene Bereitschaft heutiger Leitungsgremien, sich mit dem Thema "NS-Medizin" auseinanderzusetzen. Dies hat nicht zuletzt mit einer Veränderung der Rahmenbedingungen zu tun: Heute praktizierende Ärzte gehören nicht mehr der "Tätergeneration" an und begegnen daher der Vergangenheit des eigenen Berufsstandes mit neuer Offenheit.

Zwischenzeitlich liegen für einige Universitätskliniken bzw. städtischen Kliniken Untersuchungen vor, die sich auf die Zeit des Dritten Reiches beziehen. Die genannten Studien analysieren zum einen die Rolle der Ärzte bei der Verbreitung der Rassenhygiene, die Beteiligung von Ärzten an Euthanasieaktionen, Zwangssterilisationen, Menschenversuchen und das Verhalten gegenüber jüdischen bzw. "regimefeindlichen" Kollegen. Zum anderen wird geklärt, inwieweit sich Ärzte gegen die gesundheitspolitischen Ziele der Nationalsozialisten auflehnten, diese unterwanderten oder jüdische Kollegen schützten.

Die Geschichte der RWTH Aachen im Dritten Reich wurde in den vergangenen Jahren in einem groß angelegten, vom Rektorat geförderten Projekt durch Ulrich Kalkmann untersucht (publiziert 2003). Das Universitäsklinikum stand hierbei jedoch, wohl bedingt durch ihre erst Mitte der 1960er Jahre erfolgte Gründung, nicht im Fokus der Untersuchungen. Andererseits steht es als Zentrum der medizinischen Versorgung in der Tradition der Krankenhäuser in der Stadt Aachen: (1) der Städtischen Krankenanstalten, die sieben der achtzehn Gründungsordinarien des UK stellten, (2) des Luisenhospitals und (3) des Marienhospitals, die beide als Akademische Lehrkrankenhäuser unserer Fakultät fungieren, (4) des Alexianer Krankenhauses, welches bis zur Gründung der Psychiatrischen Universitätsklinik die einzige psychiatrische Anstalt in Aachen war, (5) des St. Franziskus-Krankenhauses und (6) des (geschlossenen) Krankenhauses Forst.

Ziel der Untersuchung war es zu klären, in welchem Umfang sich führende Ärzte der Aachener Kliniken in die NS-Gesundheitspolitik einbinden ließen und hierbei führende Funktionen übernahmen (Popularisierung rassenhygienischer Lehren, Beteiligung an Maßnahmen wie z. B. Zwangssterilisationen bzw. -abtreibungen, Beteiligung an Euthanasiemaßnahmen, Einweisungen in Anstalten). Neben konkreten medizinischen Maßnahmen sollten die Anzeigebereitschaft und die Gutachtertätigkeit der Ärzte beleuchtet werden. Ebenso interessierte die komplementäre Fragestellung: Inwieweit finden sich Hinweise, dass sich führende Ärzte bzw. Verwaltungsleitungen gegen die gesundheitspolitischen Ziele der Nationalsozialisten auflehnten bzw. diese unterwanderten. Schließlich galt es, die "Karrieren" der so untersuchten Aachener Ärzte im Nachkriegsdeutschland nachzuverfolgen: Lassen sich, bezogen auf die berufliche Laufbahn, Kontinuitäten oder Brüche nachweisen? Inwieweit erfolgte eine Aufarbeitung der eigenen NS-Vergangenheit? Lassen sich entlastende Dokumente finden?

Das START-Projekt diente als Kristallisationskern für weiterführende (über)regionale Studien zum Themenfeld "Medizin und Nationalsozialismus". Im Kontext des Forschungsprogramms entstanden im Berichtsjahr bereits eine interdisziplinäre Tagung zur Euthanasie im Dritten Reich und ihrer Aufarbeitung in der Bundesrepublik (vgl. Kapitel 7.6) sowie eine Buchreihe mit dem Titel "Medizin und Nationalsozialismus" und den beiden Buchpublikationen "Medizin im Dienste der Erbgesundheit" und "Verfolger und Verfolgte".

Die Ergebnisse des Projektes finden Sie im Buchband:

  • Richard Kühl, Leitende Aachener Klinikärzte und ihre Rolle im "Dritten Reich"

Forschungsprojekt „Medizinhistorische Untersuchungen zur Identifizierung, Zubereitung und Anwendung von Weißdorn und Herzgespannkraut als Heilpflanzen“ (Bad Heilbrunner)

Von Januar 2007 bis Januar 2010 lief am Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin das Forschungsprojekt "Medizinhistorische Untersuchungen zur Identifizierung, Zubereitung und Anwendung von Weißdorn und Herzgespannkraut als Heilpflanzen". Das Projekt wird gefördert vom Unternehmen Bad Heilbrunner Naturheilmittel. Projektleiter ist Dominik Groß, als Projektbearbeiter fungiert der Apotheker Peter Schantz, der sich seit vielen Jahren berufsbegleitend mit pharmaziehistorischen Themen befasst und dem Institut in dieser Eigenschaft bereits seit 2005/06 als Kooperationspartner zur Verfügung steht.

Kurzbeschreibung des Projekts

Mit der Novellierung des Arzneimittelgesetzes im Jahr 1978 mussten für zulassungspflichtige pflanzliche Arzneimittel vom pharmazeutischen Unternehmer Nachweise zur Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit vorlegt werden. Arzneimittel, die vor 1978 im Handel waren, bedürfen daher einer so genannten "Nachzulassung", d. h. sie waren bisher nur provisorisch zugelassen.

Aufgrund der beschriebenen Regelung ist auch für die Heilpflanzen Weißdorn und Herzgespannkraut eine derartige Nachzulassung erforderlich. Dies war Anlass und Ausgangspunkt für das Forschungsvorhaben, in dessen Verlauf -- jeweils in Bezug auf Weißdorn und Herzgespannkraut -- folgende Aspekte besonders betrachtet werden:

  • Medizinische Verwendung der besagten Arzneipflanzen in Europa seit dem Mittelalter (Verwendungszweck, Stärke und Dosierung)
  • Plausibilität der pharmakologischen Wirkung oder Wirksamkeit aus Tradition oder Überlieferung (Die historischen Abhandlungen zur Phytotherapie des Mittelalters und der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart werden geprüft mit der Fragestellung, ob die aufgeführten Indikationen tatsächlich auf Erfahrungswissen basieren bzw. aus anderen Traditionen oder aus Aberglauben stammen.)
  • Galenische Weiterentwicklung des traditionellen Arzneimittels bis in die heutige Zeit
  • Plausibilität der Indikation und Dosierung vor dem Hintergrund einer traditionellen Anwendung als gesonderte Zulassungsmöglichkeit
  • Analyse der Bedeutung der Arzneipflanzen im Kontext der jeweiligen Zeit und Vergleich der Ergebnisse
  • (ggf.) Aufdeckung von kulturell bedingten Veränderungen des therapeutischen Einsatzes der Arzneipflanzen
  • Nachweis "vergessener" Indikationsgebiete (neue Impulse für die Grundlagenforschung nach medizinisch wirksamen Pflanzeninhaltsstoffen)
  • Vergleich der Indikation der historischen Texte mit den Monographien der Kommission E.

Die Ergebnisse des Projektes finden sich im Buchband:

  • Peter Schantz, Weissdorn und Herzgespann - Medizinhistorische Untersuchungen zur europäischen Tradition dieser Heilpflanzen

Nähere Informationen

Prof. Dr. Dr. Dr. Dominik Groß

Apotheker Peter Schantz

START-Projekt „Patientenverfügungen in der präklinischen Notfallmedizin“

Das am Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin angesiedelte interdisziplinäre Forschungsprojekt "Patientenverfügungen in besonderen Entscheidungssituationen der präklinischen Notfallmedizin" lief bis März 2009 (START-Förderprogramm, Medizinische Fakultät Aachen). Projektleiter waren Arnd T. May, bis Projektende Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, und Oberarzt Dr. Jörg Christian Brokmann, Klinik für Anästhesiologie und Ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes der Stadt Aachen. Projektbearbeiterin war Tatjana Grützmann, Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin.

Kurzbeschreibung des Projekts

Wenn Patientenverfügungen Einfluss auf Therapieentscheidungen nehmen sollen, dann muss zum einen das Vorliegen derartiger Dokumente bekannt sein, zum anderen müssen Formulierungen so konkret und klar sein, dass Arzt und Pflegeteam den Willen des Patienten daraus ableiten können. Als besondere Situation mit sofortigem Handlungsbedarf gilt der ärztliche Notfall. Im Rahmen des Projekts wurden in einer Erstbefragung die Erfahrungen von Notärzten mit Patientenverfügungen und ihren rechtlichen Aspekten erhoben. Daran anschließend wurden die in der notärztlichen Versorgung der Stadt Aachen vorgelegten und bekannt gewordenen Patientenverfügungen quantitativ und qualitativ erfasst. Des Weiteren wurden Aussagen über die klinische Relevanz und Aussagekraft der betreffenden Verfügungen erhoben und problematische Situationen in der Auslegung und Überprüfung der Patientenverfügung analysiert. Auf der Grundlage der so gewonnenen Erkenntnisse wurden Empfehlungen für geeignete Formen der Abfrage und Dokumentation von Patientenverfügungen erarbeitet. Hiermit wird dem Ziel des START-Projekts Rechnung getragen, die Handlungs- und Rechtssicherheit der Notärzte zu erhöhen und generell Ärzte für die Berücksichtigung der Patientenwünsche in der Situation der Nichteinwilligungsfähigkeit und der Umsetzung einer Verfügung zu sensibilisieren.

Das zweite übergeordnete Ziel des Projekts war die Förderung der Patientenselbstbestimmung durch Öffentlichkeitsarbeit. Dieses Ziel wurde durch verschiedene Informationsveranstaltungen, Schulungen und Beratungsangebote in die Praxis umgesetzt. Die so gewonnenen Erkenntnisse wurden 2009 publiziert.

Kontakte

Dr. phil. Arnd T. May, M.A.

Fachkoordinator Klinische Ethik

Universitätsklinikum der RWTH Aachen

Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin

Med. Fakultät der RWTH Aachen

Wendlingweg 2, MTI 2, Raum 115

D-52074 Aachen

Telefon: +49 241 80 85101

Telefon: 0700 BIOETHIK (24638445)

Mobil: +49 175 3758375

Telefax: +49 241 80 82466

E-Mail: armayukaachende

Web: www.medizinethik.ukaachen.de

 

Tatjana Grützmann, M.A. phil.

Fachkoordinatorin Sozialethik

Universitätsklinikum der RWTH Aachen

Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin

Med. Fakultät der RWTH Aachen

Wendlingweg 2, MTI 2, Raum 36

D-52074 Aachen

Telefon: +49 241 80 89061

Mobil: +49 174 9427878

Telefax: +49 241 80 82466

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Web: Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin

RWTH-Forschungsprojekt „Aachener Kompetenzzentrum für Wissen­schafts­ge­schich­te (AKWG)“

Im Wintersemester 2006/07 wurde an der RWTH Aachen ein "Kompetenzzentrum für Wissenschaftsgeschichte" gegründet. Ausgangspunkt war ein von Dominik Groß initiiertes und mit zehn weiteren Professoren der RWTH abgestimmtes Forschungskonzept und ein diesbezüglicher Projektantrag an das Rektorat. Der positiv begutachtete Antrag beinhaltete Personalmittel für die Ausstattung eines wissenschaftlichen Koordinators, die bis März 2009 zur Verfügung standen.

Als Sprecher des AKWG fungiert Dominik Groß. Stellvertretende Sprecher sind Walter Kaiser, Professor für Technikgeschichte, und Christine Roll, Professorin für Geschichte der Frühen Neuzeit und Leiterin des Hochschularchivs. Die Geschäftsstelle ist am Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin angesiedelt. Leiter der Geschäftsstelle war bis zum Ende der Förderdauer (März 2009) Tobias Fischer, M.A. Seitdem fungiert Dr. phil. des. Stefanie Westermann, M.A. im Rahmen ihrer Tätigkeit als Planstellenmitarbeiterin des Instituts als Geschäftsführerin des AKWG.

Kurzbeschreibung des Projekts

Lehr- und Forschungsinitiativen im Bereich Wissenschaftsgeschichte sind an der RWTH Aachen bereits seit vielen Jahren vorhanden. Während eine spezifische Professur für Wissenschaftsgeschichte fehlt, existieren in Aachen Lehrstühle für Medizingeschichte und für Technikgeschichte. Darüber hinaus bestehen entsprechende Forschungs- und Lehraktivitäten auf Seiten des Historischen Instituts, der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, der Kunstgeschichte sowie der Informatik; am Philosophischen Institut wird zudem Wissenschaftstheorie gelehrt. Obwohl diese guten strukturellen und institutionellen Vorbedingungen vorhanden sind, waren die fachlichen Kompetenzen im Bereich Wissenschaftsgeschichte bisher nicht gebündelt. Eben¬dies geschieht seit 2007 durch das AKWG.

Im Kompetenzzentrum werden die vorhandenen Expertisen im Bereich Wissenschaftsgeschichte zusammengebracht, um Synergien zu schaffen und so die wissenschaftshistorische Forschung und Lehre an der RWTH zu optimieren.

BMBF-Projekt „Chancen und Risiken der modernen Neurowissenschaften: Ethi­sch­e, rechtliche und soziale Fragen“

Das von Dominik Groß (Projektleiter) und Jochen Taupitz (stellvertretender Projektleiter) beantragte Vorhaben beschäftigte sich mit ethischen und rechtlichen Implikationen neurowissenschaftlicher Forschung. Projektbearbeiterinnen waren Sabine Müller (federführend), Dagmar Schmitz und Ariana Zaracko. Das BMBF-Projekt lief bis März 2009. Im Herbst 2009 wurden die Inhalte und Ergebnisse des Projekts in Buchform (mit beiliegender CD) publiziert.

Kurzbeschreibung des Projekts

Das Projekt hatte einen internationalen Diskurs mit Oberstufen-Schülern aus Deutschland, den Niederlanden und Belgien über aktuelle neurowissenschaftliche Themen und deren ethische und juristische Aspekte zum Ziel.

Am 5. Januar 2009 luden Sabine Müller und Dagmar Schmitz die Schüler des Projekts zu einem Besuch des Universitätsklinikums Aachen ein. Dort besichtigten sie nach einer Führung durch das Klinikum das Gamma Knife Zentrum, wo Dr. Ansel van Oosterhout ihnen die radiochirurgische Behandlung von Tumoren und Gefäßmissbildungen des Gehirns zeigte. Anschließend besuchten sie das Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin und erhielten dort einen Einblick in die Forschung im Fach Medizinethik.

Der erste Preis im Posterwettbewerb war eine Reise für die Gewinnergruppe zum Muse-um "Turm der Sinne". Am 30. und 31. Januar 2009 fuhren zwei Schülerinnen des Rhein-Maas-Gymnasiums in Aachen mit ihren Müttern sowie mit Ariana Zaracko und Sabine Müller nach Nürnberg und besuchten dort den "Turm der Sinne". Dieses in einem alten Stadtturm eingerichtete Museum erläutert anhand zahlreicher Exponate und interaktiver Modelle die Funktionen der Sinnesorgane und die Ursachen von Sinnestäuschungen.

Schließlich wurde im Herbst 2009 ein Buch mit CD publiziert, das die Ergebnisse der Projektarbeit dokumentiert und Lehrmodule zu den Themen des Projekts enthält. Jedes Lehrmodul besteht wiederum aus einer Darstellung der medizinischen Grundlagen, der ethischen Diskussion und juristischer Fragen des entsprechenden Themas. Diese Lehrmodule können im Biologie-, Philosophie-, Ethik- oder Religionsunterricht der Oberstufe oder in Hochschulseminaren, z.B. in Medizin- oder Bioethik, in Philosophie oder Rechtswissenschaften, eingesetzt werden.

START-Projekt „Medizinethische Aspekte im Umgang mit Transsexualität“

Von Januar 2006 bis Juni 2008 lief an unserem Institut das interdisziplinäre Forschungsprojekt "Medizinethische Aspekte im Umgang mit Transsexualität". Als Kooperationspartner fungierte die Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie des Universitätsklinikums Aachen (START-Förderprogramm, Medizinische Fakultät Aachen). Bearbeitet wurde das Projekt von Jan Steinmetzer (Leitung), der Diplom-Logopädin Heike Plum unter Mitwirkung von vier Hilfswissenschaftlern.

Kurzbeschreibung des Projekts

Transsexualismus, d.. der Wunsch, als Angehöriger des anderen Geschlechtes zu leben und anerkannt zu werden, wird in der ICD-10 als "Störung der Geschlechtsidentität" den "Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen" zugeordnet. Die Einstufung der Transsexualität als krankhaftes psychisches Leiden begründet eine Reihe psychotherapeutischer und geschlechtsangleichender Maßnahmen. Doch obwohl Medizin und Psychotherapie das Thema "Transsexualität" diskursiv entscheidend mitbestimmen und viele Transsexuelle ihr Leben lang von Behandlungsmaßnahmen "abhängig" bleiben, spielen Beiträge aus dem Fach Medizinethik bisher kaum eine Rolle. Der Mangel an einschlägigen Beiträgen kontrastiert mit einem erheblichen ethischen Klärungsbedarf. Dieser betrifft die Einordnung der Transsexualität als Krankheit ("Pathologisierung") ebenso wie das derzeitige Behandlungsregime (Möglichkeit vorzeitiger Weichenstellungen), gezielte Einflussmöglichkeiten auf das Begutachtungssystem (Präjudizien), fragliches Coaching im Vorfeld richterlicher Befragungen, disparate Zielsetzungen von Betroffenen und Therapeuten im Rahmen der Psychotherapie sowie Fragen der Verteilungsgerechtigkeit (Ausmaß der Kostenübernahme).

Ziel des Projekts war es, die im Umgang mit Transsexualität berührten medizinethischen Konfliktfelder und Werte herauszuarbeiten, zu definieren und einer eingehenden Analyse zuzuführen. Angestrebt wurde eine deutliche Verbesserung der Situation der Betroffenen in den Bereichen gesellschaftliche Akzeptanz, Diagnostik, Therapie und juristische Begleitung. Das Vorgehen war dabei in zwei Teile untergliedert: Zunächst erfolgte eine systematische Untersuchung der international verfügbaren einschlägigen Literatur; hierbei wurden verschiedene Gattungen (Fachliteratur, Literatur der Betroffenen, Laienpresse, Filme) einbezogen. In einem zweiten Teil wurden die persönlichen Erfahrungen von Transsexuellen erfasst. In standardisierten Gesprächen sollte der medizinethische Handlungsbedarf aus der Sicht der Betroffenen ausgelotet und mit dem jeweiligen Krankheits- bzw. Behandlungsverlauf abgeglichen werden. Dabei wurden mögliche Regel- und Gesetzmäßigkeiten eruiert und die praktische Relevanz der im ersten Teil definierten ethischen Problemfelder hinterfragt bzw. ergänzt. Dieser zweite Teilbereich erfolgte in enger Zusammenarbeit mit der hiesigen Klinik für Phoniatrie, Pädaudiologie und Kommunikationsstörungen, die in den letzten Jahren eine besondere Expertise für phoniatrisch-logopädische Stimmanalysen und -therapien bei Transgendern erworben hat und über ein Patientenkollektiv verfügt, das schon verschiedene Stufen im Prozess der Geschlechtsangleichung durchlaufen hat. Dies bedeutet, dass die in Frage stehenden Patienten über weit reichende Erfahrungswerte verfügen und den ethischen Handlungs- und Korrekturbedarf überblicken. Zugleich sind die Betroffenen in Bezug auf ihre Krankengeschichte erfasst.

In methodischer Hinsicht bestand die Befragung aus zwei Teilen: In einem ersten Teil wurde der Gesprächsinhalt in Form eines standardisierten Fragebogens vorgegeben, während in einem zweiten Teil als ergänzendes qualitatives Element der Befragung ein narratives Interview durchgeführt wurde. Im Projektverlauf sind acht Publikationen über medizinethische Aspekte im Umgang mit und der Behandlung von Transsexualität entstanden. Daneben entstand eine umfassende Literaturdatenbank. Als weiteres Element des Vorhabens fand ein Symposium statt, das dem Ziel diente, die wichtigsten (Zwischen-)Ergebnisse zu präsentieren, Experten aus verschiedenen Bereichen zusammenzuführen und den Weg für ein weiterführendes Verbundprojekt zu bahnen. Im Rahmen des Projektes entstanden bisher ein Tagungsband sowie sieben Buch- und Zeitschriftenbeiträge.

Forschungsprojekt „Prämissenfreie Ansätze zur Lösung des Leib-Seele-Problems“

Am Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin lief vom 1.3.06 bis zum 31.06.07 ein Forschungsprojekt mit dem Titel "Gibt es prämissenfreie Ansätze zur Lösung des Leib-Seele-Problems? Die Psychobiologie von Hans Lungwitz und der neutrale Sensualismus". Das Projekt wurde gefördert von der Hans-Lungwitz-Stiftung und bearbeitet von Benedikt Eisermann.

Kurzbeschreibung des Projekts

Fast alle Lösungsansätze des Leib-Seele-Problems haben eine nicht unproblematische Gemeinsamkeit - ihre Bezogenheit auf metaphysische Prämissen: Bestimmte metaphysische Annahmen, die mit der jeweiligen Lösung des Leib-Seele-Problems verbunden sind, müssen vorausgesetzt werden, damit die betreffende Lösung akzeptiert werden kann. Hierbei sind es im Wesentlichen die unterschiedlichen zu Grunde gelegten ontologischen Setzungen, die die meisten Leib-Seele-Lösungsansätze an metaphysische Prämissen binden.

Sowohl die Psychobiologie von Hans Lungwitz als auch der neutrale Sensualismus erheben demgegenüber den Anspruch, eine nicht metaphysische epistemologisch-ontologische Basis zur Lösung des Leib-Seele-Problems zu liefern und im Gefolge dessen das Problem selbst prämissenfrei zu lösen. Aus diesem Grund erscheint eine vergleichende Überprüfung der beiden Ansätze notwendig und lohnenswert.

Bei beiden Ansätzen steht die Beantwortung folgender Fragen im Mittelpunkt:

  • Was ist unter den Begriffen 'Objekt', 'Physis' und 'Welt' zu verstehen?
  • Was ist unter den Begriffen 'Subjekt', 'Psyche' und 'Ich' zu verstehen?
  • Wie ist das Verhältnis zwischen den durch die beiden Begriffsgruppen beschriebenen Ebenen beschaffen?
  • Gibt es Kausalität?
  • Welche Bedeutung haben idealistische und realistische Konzeptionen?
  • Was ist unter den Begriffen 'Leib', 'Körper' bzw. 'Gehirn' einerseits und 'Seele' bzw. 'Geist' andererseits zu verstehen?
  • Welcher Art ist das Verhältnis von Leib und Seele?

Das Forschungsvorhaben hat die Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Ansätze herausgearbeitet und ist dabei der Frage nachgegangen, inwieweit es diesen Ansätzen gelingt, auf der Basis einer erosionssicheren epistemologisch gestützten Ontologie das Leib-Seele-Problem prämissenfrei zu lösen.

Erstellung einer weiterführenden Broschüre zur Ergänzung der Handreichung zur Beurteilung von Studienergebnissen (BfS)

Dieses vom Bundesamt für Strahlenschutz geförderte Folgeprojekt basiert auf den Ergebnissen des Projektes „Erstellung einer praxisorientierten Handreichung zur Beurteilung von Studienergebnissen für Mitarbeiter von Kommunalverwaltungen“ aus dem Jahr 2013. Das Projekt läuft seit Oktober 2014 unter der Leitung von Prof. Dominik Groß und Mathias Schmidt und wird von Saskia Wilhelmy bearbeitet. Als Kooperationspartner fungieren Dr. Sarah Drießen und Dr. Frank Gollnick vom Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit (femu) der RWTH Aachen.

Im Zentrum des Projekts steht die Erstellung einer Borschüre, die als Ergänzung zur bereits bestehenden Handreichung zur Beurteilung von Studienergebnissen gedacht ist. Die Broschüre soll Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit in Kommunen, Behörden oder z. B. im Öffentlichen Gesundheitsdienst als Ansprechpartner bei Fragen zum Themenfeld Mobilfunk und Gesundheit für die Bevölkerung fungieren, als weiterführende Hilfestellung und Nachschlagewerkzeug bei der Anwendung der Handreichung dienen.
Durch die Broschüre soll es den entsprechenden Personen ermöglicht werden

(1)    die Funktionsweise der Handreichung besser nachvollziehen zu können
(2)    die Ergebnisse der Handreichung besser verstehen, begründen und kommunizieren zu können,
(3)    eventuelle Nachfragen besser beantworten zu können sowie
(4)    mit interessierten Laien in eine sachliche Diskussion zu treten.

Für die Erstellung der Broschüre wird zum einen die vorhandene Handreichung (samt Glossar) berücksichtigt, zum anderen die Umfrageergebnisse des Praxistests an 60 Personen aus dem vorangegangenen Vorhaben (BfS FM 8855) sowie eine Vorab-Befragung nach den Vorstellungen und Wünschen der potentiellen Anwender der Broschüre (20 zielgruppenspezifischen Testpersonen).
Die aus diesen Voraussetzungen generierte Broschüre soll anschließend zusammen mit der bereits bestehenden Handreichung einem Praxistest unterzogen werden, für den ebenfalls 20 Testpersonen vorgesehen sind. Anhand der daraus resultierenden Rückmeldungen wird die Broschüre nochmals optimiert.

Von medizinischer Entwicklungshilfe zu Global Health: Deutsche Ansätze internationaler Gesundheitsarbeit, 1950-2010

Im Rahmen eines neuen Schwerpunkts zu Global Health in historischer, medizinanthropologischer und sozialethischer Perspektive wird ab Mai 2013 an unserem Institut das Forschungsprojekt "Von medizinischer Entwicklungshilfe zu Global Health: Deutsche Ansätze internationaler Gesundheitsarbeit, 1950-2010" bearbeitet. Dieses interdisziplinäre Vorhaben, das vom Fachkollegium Geschichte der DFG ausgewählt wurde, baut auf verschiedenen langjährigen Vorarbeiten in früheren umfangreichen Publikationen zur Kolonial- und Missionsmedizin, einem Workshop mit dem Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Lehrprojekten zu Global Health sowie nationalen und internationalen Kooperationen auf. Es besteht aus drei von Priv.-Doz. Dr. Walter Bruchhausen geleiteten Teilprojekten zu Staat, Kirchen und Zivilgesellschaft in Ost und West und integriert zusätzlich verschiedene Promotionsvorhaben aus dem Bereich deutscher Entwicklungszusammenarbeit im Gesundheitsbereich.

Kurzbeschreibung des Projekts

Global Health erlebt als neue Schnittstelle zwischen Forschung, Lehre und Handeln derzeit eine stürmische Entwicklung, Globalgeschichte und Zeitgeschichte nach 1945 bilden in der Geschichtswissenschaft allgemein und zunehmend auch in der Medizingeschichte neue Schwerpunkte. In diesem Kontext von Forschung und öffentlichem Interesse beschäftigt sich das Projekt mit den Anfängen deutscher Gesundheitsarbeit für die Länder in der Dekolonisierung und den ebenso wechselhaften wie vielfältigen Entwicklungslinien bis zur gegenwärtigen Situation. Dabei spielen Bezüge von Gesundheitsfragen zu entwicklungs- und außenpolitischen Tendenzen ebenso eine Rolle wie Herausforderungen aus Gesundheitsproblemen und Handlungsmöglichkeiten, die als neu wahrgenommenen wurden. Vergleich und Interaktion der verschiedenartigen Akteure aus beiden deutschen Staaten und Kirchen, aus den sozialen Bewegungen und medizinischen Institutionen bzw. Organisationen beleuchten die Motive und Ziele, Chancen und Grenzen des jeweiligen Engagements. Die Arbeitsgruppe besteht aus Mitgliedern mit fachlichem und beruflichem Hintergrund in Geschichte, Ethik und Medical Anthropology, klinischer Medizin, Entwicklungszusammenarbeit und Humanitärer Hilfe, die sich in Promotions-, Post-Doc- und Post-Habilitationsphase befinden.

ELSA-Projekt: „Indikation oder Information? Die Rolle des Arztes im Umgang mit nicht-invasiver Pränataldiagnostik“ (BMBF)

Seit Februar 2013 ist an unserem Institut in Kooperation mit dem Institut für Humangenetik der Universität des Saarlandes unter der Leitung von Dagmar Schmitz (Aachen) und Wolfram Henn (Homburg/Saar) ein interdisziplinäres Projekt zur nicht-invasiven Pränataldiagnostik (NIPD) angesiedelt. Gefördert wird dieses dreijährige Projekt im Rahmen des Förderschwerpunktes: "Ethische, Rechtliche und Soziale Aspekte der Modernen Lebenswissenschaften und der Biotechnologie" (ELSA) im Bereich "Forschung ELSA Diagnostik". Vasilija Simonovic (Aachen) und Tim Ohnhäuser (Aachen) bearbeiten das Projekt.

Kurzbeschreibung des Projekts

Die klinische Praxis der Pränataldiagnostik steht vor tiefgreifenden Veränderungen. In wenigen Jahren werden Verfahren zur nicht-invasiven pränatalen Diagnostik von fetalen Aneuploidien implementiert sein. Eine Ausweitung im Sinne einer Genom-weiten nicht-invasiven pränatalen molekulargenetischen Diagnostik scheint mittelfristig realisierbar.

Wie soll vor diesem Hintergrund die zukünftige Interaktion von Ärzten und Schwangeren im Vorfeld einer nicht-invasiven pränataldiagnostischen Maßnahme gestaltet sein? Soll das Angebot an Pränataldiagnostik ärztlicherseits eingegrenzt werden, und wenn ja, nach welchen Kriterien? Diesen Fragen geht das Projekt in zweierlei Hinsicht nach: Zum einen (1) soll das Konzept der ärztlichen Indikation im Vorfeld von Pränataldiagnostik in medizintheoretischer sowie in ethischer Hinsicht einer kritischen Überprüfung unterzogen werden. Zum anderen (2) werden in einer empirischen Untersuchung die Erfahrungen mit pränataldiagnostischen Entscheidungsprozessen sowie die Wünsche zur Gestaltung des Zuganges und der Arzt-Schwangeren-Interaktion in relevanten professionellen Gruppen sowie bei Schwangeren und Familien mit Kindern mit Down-Syndrom erhoben.

Das Projekt mündet dann in konkrete Vorschläge zur künftigen Ausgestaltung der Arzt-Schwangeren-Interaktion im Vorfeld von nicht-invasiver Pränataldiagnostik.

Weitere Informationen finden Sie hier.

Erstellung einer praxisorientierten Handreichung zur Beurteilung von Studienergebnissen für Mitarbeiter von Kommunalverwaltungen (BFS)

Im April 2013 wurde an unserem Institut die Arbeit am Forschungsprojekt "Erstellung einer praxisorientierten Handreichung zur Beurteilung von Studienergebnissen für Mitarbeiter von Kommunalverwaltungen" aufgenommen, das vom Bundesamt für Strahlenschutz gefördert wird.

Seit einigen Jahren wird den möglichen gesundheitlichen Risiken moderner Technologien eine verstärkte öffentliche Aufmerksamkeit zuteil.

Die Diskussion über elektromagnetische Felder und die Gefahren der Handystrahlung werden sowohl auf wissenschaftlicher Ebene als auch in den Medien und auf kommunalpolitischer Ebene, z.B. bei Bürgerversammlungen, z.T. sehr kontrovers und emotional geführt. Anlässe solcher Kontroversen sind in vielen Fällen die Errichtung eines Mobilfunkmastes im Gemeindegebiet und bestehende Meinungsverschiedenheiten zu Risiken und Nutzen der Mobilfunktechnologie innerhalb der betroffenen Wohnbevölkerung. Dabei werden verschiedene Informationsquellen als unterschiedlich glaubwürdig wahrgenommen.

De facto sehen sich die zuständigen Vertreter der Kommunalbehörden angesichts derartiger, von Bürgern vorgebrachter Fragestellungen, nicht selten gezwungen, sich selbstständig und häufig sehr kurzfristig eine Meinung zu bilden.

Dies wird zusätzlich erschwert durch den Umstand, dass die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien durch verschiedene Quellen (teilweise nur auszugsweise) verbreitet, gewertet und gedeutet werden, so dass für den Laien als Rezipienten eine vorurteilsfreie, kritische Meinungsbildung sowie ein Hinterfragen der ursprünglichen Studie bzw. Studienaussage häufig nicht mehr möglich ist. Auch die Vielfalt der explizierten Fragestellungen, methodischen Herangehensweisen und Ergebnisse der Forschungen zur Mobilfunktechnologie sowie die Fülle höchst disparater, sich teilweise widersprechender und zum Teil nicht nach fachwissenschaftlichen Standards erarbeiteten Studien sind einer zuverlässigen und sachlich untermauerten Entscheidungsfindung abträglich.

Diese Unsicherheiten gilt es zu reduzieren, indem ein praktikables Instrument entwickelt werden soll um verschiedenste Informationsquellen -- Studien bzw. Veröffentlichungen von z.B. Hochschulen, (unabhängigen) Forschungsinstituten, (kritischen) Organisationen usw. -- zeitnah, unabhängig und selbstständig hinsichtlich ihres argumentativen Gewichts (Validität) und ihrer Zuverlässigkeit (Reliabilität) bewerten zu können. Das Fehlerpotential, die Schwächen und die Grenzen diverser Studien(-ergebnisse) müssen erkannt, verstanden, kritisch hinterfragt und objektiv eingeschätzt werden können. Dabei sind allerdings auch der arbeitsökonomische Aufwand und die Transferkosten für die Informationsgewinnung zu berücksichtigen, so dass sich hier umfangreiche Manuale oder Handbücher nur bedingt eignen. Das betreffende Instrument muss vielmehr auch von Laien nach einer kurzen Einarbeitungszeit optimal genutzt und durchdrungen werden können.

Ziel des Vorhabens ist die Entwicklung einer internetfähigen Handreichung für Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit bei Kommunen, Behörden oder z. B. im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) bei Fragen zum Themenfeld Mobilfunk als Ansprechpartner für die Bevölkerung fungieren. Besagte Handreichung soll die Adressaten befähigen,

(1) Studienergebnisse folgerichtig einzuschätzen,

(2) unterschiedliche Bewertungen derartiger Studienergebnisse durch Dritte zuverlässig einzuordnen und

(3) mit interessierten Laien in eine sachliche Diskussion bzw. einen gewinnbringenden Informationsaustausch zu treten.

Grundlage für die Erarbeitung der Handreichung ist ein Praxistext bei 50 zielgruppenspezifischen Testpersonen.

Das an unserem Institut angesiedelte Projekt wird geleitet von Prof. Dominik Groß und Michael Rosentreter und bearbeitet von Mathias Schmidt. Als Kooperationspartner konnten das Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit (femu -- Dr. Sarah Drießen/Dr. Frank Gollnick) der RWTH Aachen und Dr. Thomas Gritsch vom TÜV Süd gewonnen werden.

START-Projekt "Der Radiologe Hans Holfelder (1891-1944) und der Röntgensturmbann der Waffen-SS"

Das im April genehmigte START-Projekt wird im Juli 2013 an unserem Institut unter der Leitung von Mathias Schmidt anlaufen. Als Projektpartner fungiert Prof. Michael Eble (Klinik für Strahlentherapie).

Der 1939 offiziell gegründete SS-Röntgensturmbann war unter der Leitung des Gründers und Kommandeurs Prof. Hans Holfelder an verschiedenen (verbrecherischen) Aktionen des NS-Regimes und der (Waffen-)SS beteiligt. Ausgerüstet mit Röntgenbussen, in denen alles nötige Gerät zur Röntgenreihenfotographie mitgeführt wurde, war es zunächst geplant, ein Röntgenkataster der gesamten Bevölkerung des Reiches anzulegen, um den Gesundheitsstatus kontrollieren zu können, besonders im Hinblick auf die Tuberkulose. Jedoch rückte dieses Ziel schnell in den Hintergrund, da die SS das Potential einer solchen Einheit für ihre eigenen „rassisch" und militärisch ausgerichteten Ziele erkannte.

Holfelder und seine Einheit haben bisher in der Forschung wenig Beachtung gefunden, obwohl Hinweise auf Verstrickungen in den Vernichtungsapparat des Regimes und der SS sowie die Beteiligung an Kriegsverbrechen hindeuten. Neben einigen kurzen Erläuterungen im Kontext anderer Studien und einigen wenigen biographischen Angaben speziell zu Holfelder fehlt bisher eine dezidierte, quellengestützte Untersuchung.

In dem hier skizzierten Forschungsprojekt soll deshalb die Karriere Holfelders besonders nach 1933 bis zu seinem Tod 1944 näher beleuchtet werden sowie seine Motivation hinterfragt werden, die Karriere in Wissenschaft und Forschung für die Ziele des NS-Regimes aufzugeben, besonders da Holfelder zu Lebzeiten ein weltberühmter Röntgenfachmann war, der internationale Anerkennung genoss und mit mehreren Preisen und Ehrungen ausgezeichnet worden war (u.a. die Albers-Schönberg-Medaille). Bedeutung für die Radiologie bzw. Medizingeschichte erlangte er durch zahlreiche neue Entwicklungen und Untersuchungsverfahren (z.B. die Strahlentherapie bei Tumoren, die „Hochstromtherapie" bzw. konzentrische Röntgenstrahlentherapie, die Kreuzfeuerbestrahlung sowie den von ihm entwickelten Felderwähler).

Abschließend soll die Arbeit Holfelders und seiner Einheit in ihrer Bedeutung für die Politik, das Gesundheitswesen und besonders die Tuberkulosebekämpfung bewertet werden sowie Fragen mit einem aktuellen Bezug gestellt werden. Welche personellen und ideologischen Kontinuitäten im Bereich der Röntgenologie nach 1945 gab es und welche Erkenntnisse und Lehren für die Nachwelt liefert die Geschichte des Röntgensturmbannes (besonders, da Röntgenreihenuntersuchungen noch bis in die 1980er Jahre durchgeführt wurden.

Schlüsselthemen- Projekt "Transmortalität. Das Weiterwirken der Leiche nach dem Tod" (VolkswagenStiftung)

Seit Mai 2012 wird an unserem Institut das Forschungsprojekt "Transmortalität" durchgeführt. Es handelt sich um ein interdisziplinäres Vorhaben, das in einem mehrstufigen Verfahren Ende 2011 im Rahmen der Förderinitiative "Schlüsselthemen für Wissenschaft und Gesellschaft" der VolkswagenStiftung ausgewählt wurde. Leiter des Projekts sind -- ebenso wie beim erfolgreich beendeten Projekt "Tod und toter Körper" -- neben Dominik Groß die drei Professoren Andrea Esser (Marburg), Hubert Knoblauch (Berlin, zugleich Projektkoordinator) und Brigitte Tag (Zürich). An unserem Institut sind die Teilprojekte Medizingeschichte und Medizinethik angesiedelt.

Kurzbeschreibung des Projekts

Im Rahmen des Projekts beschäftigt sich die Forschergruppe mit dem Phänomenbereich des "Transmortalen". Unter "Transmortalität" versteht sie die durch medizinisch-technische Praktiken erzeugten neuen Möglichkeiten, mit dem als nicht mehr lebendig beurteilten menschlichen Körper und seinen Teilen umzugehen. Beispiele von Transmortalität sind Formen, in denen der tote Körper als Ganzer oder in Teilen weiterlebt" (z. B. ein transplantiertes funktionstüchtiges Organ), materiell fortbesteht (z. B. Plastinate, kryonisierte tote Körper) oder weiter wirkt (z. B. Leichengewebe wie Hornhäute oder Sehnen, die im medizinischen Kontext Verwendung finden). Untersuchungsgegenstände des Projekts sind das Phänomen der (partiellen) materiellen Persistenz des Körpers nach dem Tod, ihre Entstehungsgeschichte und ihre Deutung. Schwerpunkt des an unserem Institut angesiedelten Teilprojekts sind die historischen Kontinuitäten und Brüche in der soziokulturellen Deutung der Organspende. Als Projektbearbeiter fungierten Stephanie Kaiser (Federführung) und Jens Lohmeier.

Förderprojekt EU Antragstellung in der Förderlinie "ETHAS - Mobilisation and Mutual Learning Action Plan in Ethics Assessment" (Forschungsministerium des Landes NRW)

Im 7. Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union wurden Mittel für einen "Mobilisation and Mutual Learning Action Plan" zum Thema Ethics Assessment ausgeschrieben. Ziel der Ausschreibung ist die Gründung eines Konsortiums für die Auswertung und Weiterentwicklung von ethischen Richtlinien in allen Bereichen der Forschung und Entwicklung. Das Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin (Dominik Groß, Ylva Söderfeldt) erhielt für einen ausgearbeiteten Vorantrag eine Förderung vom Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Projektförderung dient der Etablierung des Konsortiums und der Ausarbeitung eines Forschungsantrags.

Kurzbeschreibung des Projekts
Von der EU wurde eine Reihe von Herausforderungen im ethischen Bereich erkannt. Neue Technologien werfen vielfältige normative Fragen auf. Strukturelle Veränderungen, z. B. die Globalisierung der Forschung, bergen Risiken wie Ausbeutung von Studienteilnehmern und Ungerechtigkeit im Zugang zu Innovationen. Existierende Richtlinien sind zudem häufig national, regional und disziplinär unterschiedlich. Aufgaben des Ethics Assessment Konsortiums sollen eine detaillierte Bestandsaufnahme und Bewertung dieser Situation sein, die Förderung der Kommunikation über Ethik in der Öffentlichkeit, Politik, Forschung und Wirtschaft und eine Entwicklung konkreter Instrumente und Vorschläge für die Zukunft. Das Konsortium soll sich aus Wissenschaftlern, Wirtschaftsvertretern, Vertretern von Aufsichtsbehörden, NGOs und öffentlichen Einrichtungen, sowohl inner- als auch außereuropäisch, zusammensetzen. Bis zur Antragsstellung im Januar 2013 werden am Institut passende Partner gesucht, Aufgaben verteilt und ein detaillierter Arbeitsplan erstellt. Die Federführung liegt in den Händen von Ylva Söderfeldt; sie wird unterstützt von der Hilfswissenschaftlerin Saskia Wilhelmy.

START- Projekt "Elektrokonvulsionstherapie - Vorwissen, Stereotype und Einstellungen von ambulanten nichtpsychiatrischen Ärzten, deren Patienten sowie von medizinischen Laien" (Medizinische Fakultät der RWTH Aachen)

Im Oktober 2012 wurde das vorgenannte START-Projekt zur Elektrokonvulsionstherapie erfolgreich begutachtet und in die Förderung aufgenommen. Der Projektbeginn ist für Februar 2013 vorgesehen. Die Elektrokonvulsionstherapie (EKT) ist die derzeit wirksamste Therapie bei schweren depressiven Erkrankungen. Für einen kleinen Teil der psychisch kranken Patienten ist diese Therapie deshalb eine unverzichtbare Chance und manchmal lebensrettend. Obgleich ihre Anwendungshäufigkeit in den letzten Jahrzehnten in Deutschland langsam zugenommen hat, ist die EKT aufgrund ihrer umstrittenen Entstehungsgeschichte und einer vorwiegend negativen medialen Rezeption ("Elektroschocks") mit einer erheblichen Hypothek belastet -- trotz maßgeblicher technischer und methodischer Fortschritte gilt sie auch weiterhin in Teilen der Bevölkerung und der Medizin als Instrument ärztlicher Willkür und staatlicher Restriktion.

Kurzbeschreibung des Projekts
Die Elektrokonvulsionstherapie (EKT) hat sich in den 75 Jahren ihrer Geschichte insbesondere durch anästhesiologische Innovationen zu einer modernen medizinischen Maßnahme mit Wirkungen und Nebenwirkungen entwickelt. Durch ihren rechtzeitigen und adäquaten Einsatz kann der Chronifizierung depressiver und psychotischer Krankheitsepisoden wirksam begegnet werden. Trotzdem werden immer noch viele chronisch depressive und psychotische Patienten nicht entsprechend über diese Therapieoption aufgeklärt. Wissenschaftliche Fachgesellschaften und andere ärztliche Organisationen im deutschsprachigen Raum haben in den letzten Jahren eine Reihe von Stellungnahmen zur EKT verfasst, die jedoch wegen der relativen Seltenheit der Behandlung nur begrenzt auf das öffentliche Bewusstsein einwirken. Vor diesem Hintergrund verfolgt das Projekt das Ziel, das Vorwissen, die bestehenden Vorurteile und Stereotype und -- hierauf basierend -- die Einstellungen zur EKT einer wissenschaftlichen Analyse zu unterziehen. Als Untersuchungsgruppen dienen (1) ambulante nichtpsychiatrische Ärzte und deren Hilfspersonal, (2) deren Patienten sowie (3) ein Internetkollektiv. Die Erhebung soll mittels Fragebögen durch wissenschaftliche Hilfskräfte in Arztpraxen im Raum Aachen und mittels einer Online-Umfrage der Firma Harris Interactive erfolgen. Im Rahmen der Untersuchung ist zu klären, wie sehr sich der Informationsstand und die Einstellung ambulanter nichtpsychiatrischer Ärzte und deren Hilfspersonal von dem ihrer Patienten und auch der Internetuser unterscheiden, welche akzeptanzmodulierenden Faktoren für die derzeitige Rezeption der EKT maßgeblich sind und welche zielgruppenspezifischen Informations- und Aufklärungsmaßnahmen sich hieraus ableiten lassen. Aufbauend auf den Ergebnissen dieser Untersuchung könnte aus dem länderübergreifenden Referat der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol eine gemeinsame Initiative zur EKT-Aufklärung im deutschsprachigen Raum entstehen, bei der ambulante nichtpsychiatrische Ärzte eine zentrale Rolle spielen. Projektleiterin ist Dr. med. Yvonne Nicole Chikere (Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik), die stellvertretende Projektleitung obliegt Dominik Groß und Priv.- Doz. Dr. med. Michael Grözinger (Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik ). Kooperationspartner sind Univ.-Prof. Dr. phil. Siegfried Gauggel (Direktor des Instituts für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie) und Prof. Dr. med. Nicole Kuth (Leiterin Lehrgebiet Allgemeinmedizin), beide UKA, sowie das Referat für klinisch angewandte Stimulationsverfahren in der Psychiatrie (DGPPN).

START-Projekt "Profile von Nutzern medizinischer Fehlermeldesysteme zur Patientensicherheit"

Im April 2010 wurde unser Forschungsvorhaben "Profile von Nutzern medizinischer Fehlermeldesysteme zur Patientensicherheit" genehmigt. Das Projekt wird finanziert von der Medizinischen Fakultät der RWTH Aachen im Rahmen des START-Förderprogramms.

Patientensicherheit wird definiert als die Abwesenheit "Unerwünschter Ereignisse" (UE) im Kontext medizinischer Behandlung. Fehlermeldesysteme dienen der Vermeidung kritischer Ereignisse indem diese erfasst und der Analyse zugänglich gemacht werden. Als Bindeglied zwischen Individuen und Organisation ermöglichen sie die Kommunikation eines negativ besetzten Themas und so die Konzeption präventiver Maßnahmen. Obwohl dem Thema Patientensicherheit eine vermehrte Beachtung zukommt und es in den vergangenen Jahren zunehmend als Gegenstand von Forschung und Forschungsförderung "entdeckt" worden ist, liegt bisher keine Untersuchung zur Effektivität der etablierten Fehlermeldesysteme vor. Vor diesem Hintergrund soll untersucht werden, in welchem Umfang die Kenntnis von Fehlermeldesystemen unter Ärzt/innen verbreitet ist, ob Nutzer der Fehlermeldesysteme in bestimmter Weise untereinander vernetzt sind, und ob Nutzerprofile identifizierbar sind. Ziel der geplanten Untersuchung ist es, mit den gewonnenen Ergebnissen Daten bereitzustellen, um a) Fehlermeldesysteme bezüglich Zielgruppenorientierung und Anwenderfreundlichkeit zu optimieren und b) die Effizienz ihrer Nutzung als Grundlage für Fallbesprechungen und hinsichtlich des impliziten Erkenntnisgewinns zu steigern.

Dazu soll ein methodisches Vorgehen gewählt werden, das in seinem Aufbau einer modifizierten Experten-Befragung nach der Delphi-Methode entspricht (Erstellung eines Kriterienkatalogs auf der Basis eines systematischen Literaturreviews, um vorhandene Fehlermeldesysteme strukturiert zu erfassen; auf dieser Basis Expertenbefragung in Form eines halbstrukturierten Interviews; Nutzung der gewonnenen Statements für eine soziometrische Erhebung im Rahmen einer nationalen Studie, in der auch Aspekte des individuellen Nutzerverhaltens von Fehlermeldesystemen erfragt werden; erneute Diskussion der Ergebnisse in einer Expertenrunde und Erstellung von Handlungsempfehlungen).

Die gewonnenen Untersuchungsergebnisse sollen zum Ausgangspunkt übergreifender drittmittelfinanzierter Forschung werden. Durch die Zusammenarbeit mit dem "Kompetenzzentrum Patientensicherheit" der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe und dem Institut für Patientensicherheit an der Universität Bonn stehen mit dem Thema vertraute und über die notwendige Expertise verfügende Kooperationspartner zur Verfügung. Mit dem Fokus auf die Perspektive der individuellen Leistungserbringer im Gesundheitswesen und angesichts der rezenten Forschungsförderung im Bereich Patientensicherheit kann das Projekt weitere übergreifende drittmittelfinanzierte Forschungen anstoßen, die komplementär zur den auf die Organisationseinheiten gerichteten Forschungsvorhaben, z.B. des Aktionsbündnisses Patientensicherheit erfolgt. Vor dem Hintergrund der vom EU Ministerrat beschlossenen Empfehlung zur Patientensicherheit besteht auch auf europäischer Ebene an dieser Forschungsperspektive ein hohes Interesse.

START-Projekt "Zahnheilkunde im Nationalsozialismus: Protagonisten und inhaltliche Ausrichtung, 1933-1945" (Medizinische Fakultät der RWTH Aachen)

 

In Kooperation mit der Klinik für Zahnärztliche Prothetik und Biomaterialien hat im Februar 2014 am Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der RWTH Aachen unter der Leitung von Matthis Krischel ein Forschungsprojekt zur Geschichte der Zahnheilkunde im Nationalsozialismus begonnen. Der Projektbearbeiter ist Enno Schwanke.

Kurzbeschreibung des Projekts

Zu Beginn der 1930er Jahre gab es in Deutschland etwa 10.000 akademisch ausgebildete Zahnärzte und 17.000 handwerklich ausgebildete Dentisten. Sie alle waren von der Machtübernahme der Nationalsozialisten und dem daraus folgenden politischen Umschwung massiv betroffen. Bereits 1933 wurden ein „Reichszahnärzteführer", ein „Reichsdozentenführer" für die Zahnärzteschaft und ein „Reichsdentistenführer" eingesetzt und die Fachgesellschaft gleichgeschaltet. Jüdische, jüdischstämmige und politisch missliebige Zahnärzte (später auch Dentisten) wurden aus dem Beruf gedrängt. Im Verlauf der 1930er und ’40er Jahre wurde die Position der Dentisten gegenüber den Zahnärzte strukturell geschwächt, der Stand blieb jedoch erhalten. Zahlreiche Zahnärzte und Dentisten wurden Mitglieder der NSDAP oder nationalsozialistischer Organisationen wie des NS-Ärztebundes, der SA oder SS. In diesen Positionen gestalteten sie die NS-Gesundheitspolitik mit.

Während in der Frühphase der Aufarbeitung der Medizin im „Dritten Reich" einige wegweisende Beiträge zur Zahnheilkunde erschienen, sind seit Mitte der 1990er Jahre nur noch wenige Arbeiten veröffentlicht worden. Ziel des START-Projekts ist es deshalb, eine am aktuellen Stand der medizinhistorischen Forschung orientierte Übersicht über das Thema zu entwickeln. Im Mittelpunkt steht dabei das Erarbeiten kritischer Biographien von Protagonisten der Zahnheilkunde im Nationalsozialismus auf der Basis historischer Primärquellen. Deshalb steht die Recherche und Auswertung von Akten zu den Funktions- und Entscheidungsträgern des Fachs im „Dritten Reich" im Zentrum des Projekts. Um gleichzeitig die inhaltliche Ausrichtung der Zahnheilkunde im Nationalsozialismus zu analysieren, werden neben den Biographien auch zeitgenössische Lehrbücher und wissenschaftliche Zeitschriften ausgewertet.

Neben historischen Aspekten werden auch medizintheoretische und -ethische Aspekte bearbeitet, einschließlich Fragen nach dem Verhältnis von Zahnärzten und Dentisten und ihrem Verhalten den im Nationalsozialismus ausgegrenzten und verfolgten Gruppen gegenüber.

START-Projekt "Betriebs- und Revierärzte und ihr Wirken im „Dritten Reich“ am Beispiel Krupp in Essen"

Das START-Projekt wird im Januar 2015 an unserem Institut unter der Leitung von Mathias Schmidt anlaufen. Als Projektpartner fungiert Prof. Thomas Kraus (Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin), Projektbearbeiter wird Jan Kleinmanns, M.A.
Die Grundlagen der Arbeitsmedizin in der Zeit des Nationalsozialismus sind mittlerweile ein recht gut durchdrungenes Forschungsfeld. Bisher wenig Interesse hat jedoch die praktische Umsetzung dieser für die Kriegswirtschaft wichtigen medizinischen und betrieblichen Maßnahmen erweckt.

Der Arbeitskräftemangel in den 1920er Jahren als eine der Langzeitfolgen des Ersten Weltkriegs überzeugte vor allem die Arbeitgeber, mehr in Arbeitsschutz und Sozialleistungen zu investieren und zeigte gleichzeitig, dass dies nicht zwangsläufig mit Gewinneinbußen verbunden war. Deshalb oblag der Arbeitsmedizin bis Mitte der 1930er Jahre hauptsächlich die Aufgabe, die Gesundheit des Arbeiters zu erhalten. Nachdem jedoch durch die ersten Aufrüstungsbestrebungen der Wehrmacht erneut ein Arbeitskräftemangel einsetzte, entwickelten die nationalsozialistischen Arbeitsmediziner Modelle, die Leistungen der Arbeiter zu steigern und so lange wie möglich auf einem möglichst hohen Niveau zu halten. Dazu verlangten sie neben vorbeugenden Maßnahmen die ständige Kontrolle der Arbeiter durch Haus- und Betriebsärzte. Dabei wurde die Gesundheit des Arbeiters im Prinzip zur Nebensache, entscheidend wurde lediglich die Erhaltung der Arbeitskraft und die Erhöhung der Leistungsfähigkeit. Auch der Arbeitsschutz rückte paradoxerweise in den Hintergrund, da man Unfälle auf Ermüdung zurückführte, die man durch Leistungssteigerung zu verhindern versuchte.

Die Initiativen der Arbeitsmediziner wurden vom Regime allerdings erst nach Kriegsbeginn ernsthaft zur Kenntnis genommen, nachdem immer mehr Arbeitskräfte zur Wehrmacht eingezogen und immer größere Mengen an Kriegsmaterial benötigt wurden. Der Arbeitskräftemangel wirkte sich bald auf die Leistungsfähigkeit der verbliebenen Arbeiter aus und führte zu hohen Krankenständen. Schließlich wurden zusätzliche Betriebsärzte eingesetzt, die diese Kranken betreuen und möglichst schnell wieder arbeitsfähig machen sollten. Die Arbeiterschaft fand jedoch in diesen – nach Gesinnungskriterien ausgewählten – Ärzten keine Vertrauenspersonen, sondern hingegen „Gesundschreiber“, die Ziele des Regimes unterstützten. Dies musste zu Konflikten zwischen Haus- und Betriebsärzten führen, da erstere von den letztgenannten übergangen oder kontrolliert und ihre Diagnosen grundsätzlich in Frage gestellt wurden.

Zwar sind der historische Kontext sowie der politische Rahmen vergleichsweise gut untersucht, die Übertragung auf die mikrohistorische Ebene fehlt hingegen. Im Rahmen des Projekts wird deshalb zunächst anhand des Beispiels Krupp in Essen untersucht, wie sich die Politik auf die Betriebsärzte, die Arbeiter(-Gesundheit) und die Produktion ausgewirkt hat.

START-Projekt „Mediziner in der SS – Zwischen Kriegsdienst, ‚Rassenauslese‘ und ‚Weltanschaulicher Schulung‘“

Das START-Projekt ist im Januar 2014 an unserem Institut unter der Leitung von Mathias Schmidt angelaufen. Als Projektpartner fungiert Prof. Thomas Kraus (Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin).

Die Verknüpfung von Medizin und SS (Schutzstaffel der NSDAP) ist lediglich in Ansätzen untersucht worden. Dabei standen stets einzelne ausgewählte Personen im Vordergrund, darunter Josef Mengele, Sigmund Rascher, Hitlers Leibarzt Karl Brandt, Reichsgesundheitsführer Leonardo Conti, Himmlers Leibarzt Karl Gebhardt, der Chef des Sanitätsamtes der Waffen-SS Karl Genzken oder Ernst-Robert Grawitz, Geschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes. Diese Beispiele zeigen, dass die Forschung dabei hauptsächlich von der Stellung und dem Ansehen der Personen innerhalb des Gefüges des „Dritten Reiches“ ausging. Deshalb standen bisher aber nur exponierte bzw. prominente Fachvertreter im Fokus der Forschung, während prosopographische bzw. quantitativ orientierte Studien fehlen. Innerhalb der verschiedenen Einrichtungen, Ämter und Gliederungen der SS wirkten zahlreiche Mediziner, die von der Forschung noch nicht systematisch berücksichtigt worden sind.

Problematisch daran ist, dass durch diese Form der Aufarbeitung erstens einige wenige Personen mythologisiert werden und zweitens das ganze Ausmaß der Kooperation zwischen SS und Medizin gar nicht offenbar wird. Deshalb sollen im Rahmen des Projektes systematische, über Einzelbiographien hinausweisende Studien zu einer Gruppe wenig erforschter bzw. wenig bekannter Mediziner und medizinisch tätiger Personen innerhalb der Reihen der SS unternommen werden. Im Zentrum steht die Erarbeitung kritischer Bioergographien eines qualitativen Samples des medizinisch ausgebildeten Personals der mittleren Führungsebene der SS.

Anhand der jeweiligen Biografie sowie Position und Funktion der Täter soll nach individuellen Handlungsmustern und -möglichkeiten, Vorbedingungen, Motivationen und Motiven für die Teilnahme an oder Ausführung von Verbrechen sowie den Netzwerken der jeweiligen Person gefragt werden. Dies verspricht u.a. lohnenswerte Erkenntnisse, weil hier nicht – wie bisher – die schon zu Lebzeiten durch ihre Grausamkeit, ihren Ehrgeiz, ihre Position oder die Aufarbeitung nach 1945 bekannten Personen im Vordergrund stehen. Vielmehr wird hier auch die aktiv handelnde, ausführende Gruppe von Tätern und Funktionsträgern beleuchtet, die z.T. ebenso grausam und mitleidlos „mitgemacht“, aber nicht die direkte Verantwortung getragen hat.

START-Projekt „Humanexperimente im 'Dritten Reich' - Bestandsaufnahme und systematische Kartographierung der Forschung“

Das START-Projekt läuft seit Juli 2014 an unserem Institut unter der Leitung von Stephanie Kaiser. Als Projektpartner fungiert Univ.-Prof. Dr. med. René H. Tolba, Direktor des Instituts für Versuchstierkunde, Zentrallaboratorium für Versuchstierkunde.

Die Medizin im Nationalsozialismus weist insgesamt drei große Verbrechenskomplexe auf: die Zwangssterilisationen, die „Euthanasie“-Morde sowie die medizinischen Humanexperimente. Letztere werden in diesem Projekt in den Blickpunkt gerückt. In den nunmehr knapp 70 Jahren seit dem Ende des „Dritten Reiches“ sind ungezählte Publikationen erschienen – es gibt kaum eine Veröffentlichung zur Medizingeschichte des Nationalsozialismus (kurz: NS-Medizin), in dem sich nicht wenigstens ein Kapitel zu den verbrecherischen Humanexperimenten findet. Gemessen an der umfangreichen Forschungsliteratur müssten die nationalsozialistischen Menschenversuche zu einem der am besten erforschten Gegenstände der NS-Medizin gehören. Tatsächlich täuscht die Anzahl der Publikationen darüber hinweg, dass einige wenige grundlegende und mitunter veraltete Forschungsarbeiten immer wieder als Beispiele herangezogen werden – so etwa die wegweisende Arbeit von Alexander Mitscherlich und Fred Mielke („Medizin ohne Menschlichkeit“, 1949). Bei näherer Betrachtung wird eine hohe Redundanz der aktuellen Forschungsliteratur auffällig, wie es der Medizinhistoriker Wolfgang U. Eckart jüngst ausdrückte.

Im Rahmen dieses Forschungsprojektes werden die in der verfügbaren Forschungsliteratur behandelten Menschenversuche möglichst vollständig erfasst und eine verschlagwortete, bibliographische Sammlung angelegt. Der Fokus liegt herbei auf der ärztlichen Perspektive. Mithilfe eines Kategoriensystems wird eine systematische und historisch-kritische Gesamtauswertung jenes Materials vorgenommen. Als Forschungstechnik wird die Mayringsche Inhaltsanalyse (unter Verwendung der Verfahren Frequenzanalyse, Valenzanalyse und Kontingenzanalyse) herangezogen. Nach der formalen und inhaltlichen Strukturierung des Textmaterials soll die so entstandene Literaturdatenbank als umfangreiches Werkzeug dienen, um (1) bisherige zentrale Forschungsfragen und -ergebnisse sichtbar zu machen sowie (2) Orientierungspunkte für den verbleibenden Forschungsbedarf liefern, um die Forschungslücken zu identifizieren und inhaltlich zu fassen. Damit eröffnet sich die Möglichkeit, bisher nur unzureichend untersuchte Humanexperimente namhaft zu machen und in einem Anschlussprojekt Forschungsdesiderate gezielt anzugehen.

START-Projekt „Ethische Problemfelder im Umgang mit der Ebola-Viruskrankheit (EVD)“

Im Rahmen des Forschungsprofils „Infektionskrankheiten & Ethik“ wird an unserem Institut seit September 2015 das START-Projekt „Ethische Problemfelder im Umgang mit der Ebola-Viruskrankheit (EVD)“ unter der Leitung von Saskia Wilhelmy von Regina Müller bearbeitet. Als Projektpartner fungiert Prof. Dr. med. Thomas Kraus, Direktor des Instituts für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin. Als weitere Kooperationspartner konnten Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Dr. phil. Dominik Groß (Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin und Vorsitzender des Klinischen Ethik Komitees), Priv.-Doz. Dr. med. Walter Bruchhausen (Global Health Ethics, Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin und Mitglied des Klinischen Ethik-Komitees) sowie Prof. Dr. med. Sebastian W. Lemmen (Leiter des Zentralbereichs für Krankenhaushygiene und Infektiologie) gewonnen werden.

Kurzbeschreibung des Projekts

Die Ebola Virus Disease (EVD) gilt als Prototyp einer "vernachlässigten" Krankheit. Obwohl sie bereits seit den 1970er Jahren bekannt ist, geriet sie erst 2014 in den Fokus einer weltweiten Öffentlichkeit. Anlass war der Ausbruch einer Epidemie, die jedes bisher bekannte Ausmaß übersteigt und bis dato in mehreren westafrikanischen Staaten mehr als 8.000 dokumentierte Todesfälle forderte, wobei von einer noch weit höheren Dunkelziffer ausgegangen werden muss (Stand 07.01.2015).
Erschwert wird die skizzierte dramatische Situation durch ein ausgeprägtes Forschungsdefizit bei EVD insbesondere im Bereich der Impf- und Wirkstoffe. Tatsächlich liegen bis dato weder zugelassene noch hinreichend erprobte Impfmittel und Therapeutika vor. Gleichzeitig besteht ein ausgeprägter Handlungsdruck, der sich u. a. darin zeigte, dass ein WHO-Gremium (nach anfänglich restriktiver Haltung) den Einsatz besagter Impfstoffe und Medikamente unter bestimmten Voraussetzungen für vertretbar erklärt hat – eine Entscheidung, die im öffentlichen Raum wie auch in Fach-Diskursen höchst kontrovers aufgenommen wurde und vielfach den Ruf nach ethischer Klärung und der Etablierung normativer Standards im Umgang mit EVD und vergleichbaren Infektionskrankheiten laut werden ließ.

Vor diesem Hintergrund widmet sich das Forschungsvorhaben der Klärung offener ethischer Fragen im Umgang mit EVD, insbesondere
(1) der Frage nach den geeigneten Voraussetzungen eines Einsatzes nicht bzw. unzureichend getesteter Impfstoffe und Medikamente,
(2) der Frage des Zugangs zu und der gerechten Verteilung von (in unzureichender Menge verfügbaren) Impfstoffen und Medikamenten,
(3) der Frage der Festlegung und Einhaltung ethischer Vorgaben beim Einsatz unerprobter Mittel,
(4) den erforderlichen Voraussetzungen eines wirksamen Informed Consent und
(5) dem möglichen Umgang mit nicht absehbaren Nebenwirkungen und/oder Spätfolgen der Verabreichung besagter Impf- bzw. Wirkstoffe.

START-Projekt „Mediziner in der Weimarer Republik. Kontinuitäten vor und nach der nationalsozialistischen ‚Machtergreifung‘ 1933“

Im Rahmen des Forschungsprofils „Medizin im Nationalsozialismus“ wird an unserem Institut seit Mai 2016 das START-Projekt „Mediziner in der Weimarer Republik. Kontinuitäten vor und nach der nationalsozialistischen ‚Machtergreifung‘ 1933“ unter der Leitung von Tina Winzen, M.A. bearbeitet. Es wurde initiiert von Jan Kleinmanns, M.A.. Als Projektpartner fungiert Prof. Dr. rer. soc. Jessica Lang, Juniorprofessorin für Betriebliche Gesundheitspsychologie am Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin des UK Aachen. Als weitere Kooperationspartner konnten Dr. phil. Matthis Krischel, ehemaliger Mitarbeiter des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der RWTH Aachen und Projektleiter des START-Projekts „Zahnheilkunde im Nationalsozialismus: Protagonisten und inhaltliche Ausrichtung, 1933-1945“ sowie

Mathias Schmidt, M.A., Mitarbeiter des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der RWTH Aachen und u.a. Projektleiter der START-Projekte „Mediziner in der SS“ und „Betriebsärzte im Dritten Reich“ gewonnen werden.

Kurzbeschreibung des Projekts

Die Geschichte der deutschen Ärzteschaft in der Zeit des Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit ist mittlerweile ein etabliertes Forschungsfeld. Bezüglich der Untersuchung der Zeit vor 1933 bestehen derzeit allerdings noch erhebliche Desiderate. Die Kontinuitäten der Weimarer Zeit über die sogenannte „Machtergreifung“ 1933 hinaus können für die medizinische Profession als weitgehend unerforscht gelten. Dies ist besonders erstaunlich, da in ebendieser Zeit der Weimarer Republik, also zwischen 1918 und 1933, die Grundlagen für die nationalsozialistische Herrschaft gelegt wurden und die Karrieren der führenden Ärztevertreter der NS-Zeit begannen bzw. begründet wurden. Zudem implementierten sich in größeren Bevölkerungsteilen erstmals völkische und „rassische“ Gedanken. Damit ist dieser Zeit eine Schlüsselrolle im Verständnis des Nationalsozialismus zuzuschreiben. Dies gilt auch für die Rolle der Ärzteschaft und das Handeln der ärztlichen Standesorganisationen. Die Denkmuster, die die Grundlagen für die nationalsozialistischen Gesellschaftsvorstellungen bildeten und die später zu grausamen Verbrechen führten, sind nur über eine detaillierte Erforschung dieser Zeit korrekt einzuordnen und hinreichend zu bewerten.

Der bisherige Stand der Forschung beschränkt sich jedoch auf Überblickswerke und erste Fallstudien. Weitergehende und vor allem tiefgreifende Forschungen zum Bereich der Standespolitik der Ärzteschaft in den Jahren 1918 bis hinein in die Zeit des „Dritten Reiches“ liegen noch nicht vor. Auch die Rolle und die Bedeutung des Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebundes sowie die damit verbundenen personellen und gedanklichen Kontinuitäten sind bislang nicht berücksichtigt worden.

International Winter School / Internationale BMBF-Klausurwoche

November 23-27, 2015 in Kasteel Bloemendal, Vaals (The Netherlands)

„The Fetus as a Patient – a Sustainable Approach to Clinical Interactions in the Field of New Prenatal Medicine”

Institute for History, Theory and Ethics in Medicine, University Hospital RWTH Aachen, Germany

New prenatal medicine raises the question of whether an embryo or fetus can or should be viewed as a patient in clinical care. New dimensions in prenatal testing such as NIPT are giving rise to a constantly growing field of options in prenatal screening and diagnosis: the possibility to completely analyze the fetal genome via the maternal blood is making the genetic makeup of the fetus increasingly visible. Simultaneously, new approaches to prenatal therapy, for instance for Down syndrome, are being discussed. Against this changing technological and clinical backdrop, new ethical, social and legal issues appear: what does it mean to treat the fetus as a patient? What are the implications of the new diagnostic and therapeutic options for its moral status? How can we solve the emerging conflicts between the maternal and the fetal patient?

This winter school addressed early stage researchers from different disciplines (medicine, philosophy, law, political and social sciences, theology) and different countries (the UK, the Netherlands and Germany) and invited them to come together with renowned experts in the field to critically discuss and elaborate possible perspectives on the supposed fetal patient related to the new procedures in prenatal testing (especially NIPT) and prenatal therapy. We planned to publish the contributions as a proceedings book and the closing statement as an international journal paper.

Confirmed key note speakers were:

  • Angus Clarke, Clinical Professor, Institute of Cancer and Genetics, Cardiff University, Cardiff, UK
  • Wybo Dondorp, Assistant Professor, Department of Health, Ethics and Society, Faculty of Health, Medicine and Life Sciences, Maastricht University, Maastricht, Netherlands
  • Aart Hendriks, Professor in Health Law, Institute for Public Law, Leiden University Law School, Leiden, Netherlands
  • Karl-Oliver Kagan, Head of the Department of Prenatal Testing, Center for Women's Health, University Hospital Tübingen, Germany
  • Laurence Mc Cullough, Dalton Tomlin Chair in Medical Ethics and Health Policy, Center for Medical Ethics and Health Policy, Baylor College of Medicine, Houston (Texas), USA
  • Guido de Wert, Professor of Biomedical Ethics, Chair of the Department of Health, Ethics and Society, Faculty of Health, Medicine and Life Sciences, Maastricht University, Maastricht, Netherlands
  • Claudia Wiesemann, Head of the Department of Medical Ethics and History of Medicine, Göttingen University Medical Center, Göttingen, Germany

The winter school was funded by the German Federal Ministry of Education and Research (BMBF).

It was held in Hotel Kasteel Bloemendal in Vaals (The Netherlands), close to the German border and close to Aachen.

http://www.hotelbloemendal.nl/en/

Issues of particular interest included but were not restricted to:

  • The concept of the fetus as a patient from a philosophical point of view
  • Moral implications of the concept of the fetus as a patient
  • The fetus as a patient in prenatal diagnosis
  • Fetal therapy
  • The concept of the fetus as a patient and the reproductive autonomy of the pregnant woman
  • The genetic counselling perspective on the fetus as a patient
  • The gynecologic perspective on the fetus as a patient
  • The perspective of the pregnant woman on the fetus as a patient
  • The fetus as a patient and selective termination of pregnancy

Conference language was English.

Das von der Medizinischen Fakultät geförderte Projekt „Radiologen an den Universitäten des Rheinlandes und Westfalens im Dritten Reich“ ist im März 2017 unter der Leitung von Julia Nebe und Mathias Schmidt angelaufen. Projektbearbeiter ist Jens Westemeier.

In dem Projekt werden diejenigen Radiologen im Fokus stehen, die während des „Dritten Reiches“ (1933-1945) an den Universitäten oder den Vorläufereinrichtungen auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen (NRW) tätig waren. Ziel des Vorhabens ist es, kritische Biografien der jeweiligen Personen zu erarbeiten, diese in den zeithistorischen Kontext zu setzen und für einen Vergleich nutzbar zu machen. Dabei interessieren besonders Fragen nach der Mitwirkung bei der Vertreibung jüdischer Kollegen und der Beteiligung an Zwangssterilisierungen durch Strahlen sowie die Karrierekontinuitäten nach 1945.

Zunächst werden detaillierte Einzelbiographien der entsprechenden Personen erarbeitet. Diese sollen in den historischen Kontext eingebettet und anschließend miteinander verglichen werden, um so biografische Gemeinsamkeiten und Unterschiede festzustellen. Anschließend soll eine Inhaltsanalyse der zeitgenössischen radiologischen Publikationsorgane und Handbücher durchgeführt werden, die weiteren Aufschluss über die speziellen Arbeitsfelder der jeweiligen Autoren und die Intensität, mit der diese an bestimmten nationalsozialistisch geprägten Themen gearbeitet haben, wie etwa Strahlensterilisierungen oder Rassenhygiene, geben wird.

In einem zweiten Schritt folgt eine Netzwerkanalyse der entsprechenden persönlichen und beruflichen Beziehungen. In der Regel waren sich die Personen durch den begrenzten geographischen Raum, in dem sie wirkten, sowie die Mitgliedschaften in der Deutschen Röntgengesellschaft und der regionalen Rheinisch-Westfälischen Röntgengesellschaft bekannt.