Ergebnisse des Innovationsfondsprojekts „Familien-SCOUT“ liegen vor: Versorgungsform für Familien mit krebserkranktem Elternteil wirkt

Erkrankt ein Elternteil mit minderjährigen Kindern an Krebs, kann das alle Familienmitglieder stark belasten. Schnell stoßen Betroffene in dieser besonderen Situation organisatorisch und emotional an ihre Grenzen. Familien mit psychosozialen Belastungen verlässlich erkennen, ihren Bedarf klären und Zugang zu passenden Unterstützungsangeboten ermöglichen – das ist das Ziel des Studienprojektes Familien-SCOUT, das 2018 von der Uniklinik RWTH Aachen in Kooperation mit dem regionalen Caritasverband ins Leben gerufen und durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses gefördert wurde. Im Rahmen eines Abschlusssymposiums am 21. April in Aachen wurden Ein- und Ausblicke auf die wissenschaftliche Entwicklung des Projektes präsentiert und Resümees aus organisatorischen sowie interdisziplinären Perspektiven gezogen.

Wenn in einer Familie mit minderjährigen Kindern ein Elternteil an Krebs erkrankt, kann das den Alltag und die ganze Familie belasten. Neben der Sorge um die Krankheitsbewältigung gehen zumindest vorübergehend gewohnte Alltagsabläufe verloren und die psychosoziale Belastung ist groß: Existenzielle und finanzielle Bedrohungen können verstärkt Ängste und depressive Verstimmungen auslösen. Hinzu kommen die Sorgen durch den ungewissen Krankheitsverlauf, vor allem aber Fragen um die Versorgung und Zukunft der Kinder. Die alltägliche Betreuung minderjähriger Kinder von Müttern und/oder Vätern mit einer schweren Krebserkrankung ist in Deutschland nur unzureichend geregelt. „Die Familien sind in der Situation schwerer Krankheit oft alleingelassen. Gerade Kinder benötigen in dieser Situation verlässliche Alltagsabläufe, das Gefühl, mit einbezogen zu werden und ein offenes Ohr, damit sie gesund groß werden können“, erläutert Jessica Hugot, Leiterin Familien- und Unternehmensservice der Caritas, den Hintergrund.

Modellprojekt Brückenschlag

Vor rund zehn Jahren haben sich das Centrum für Integrierte Onkologie – CIO Aachen der Uniklinik RWTH Aachen und der Caritasverband Aachen gemeinsam auf den Weg gemacht, um Familien mit einem an Krebs erkrankten Elternteil und minderjährigen Kindern zu unterstützen. Mit der Etablierung des Modellprojekts Brückenschlag 2013 wurde der Grundstein für ein überregionales Versorgungsangebot und Netzwerk gelegt. „Nachdem wir mit Brückenschlag viele Familien in der Städteregion Aachen erfolgreich unterstützen und entlasten konnten, war uns schnell klar, dass wir diese Unterstützung bundesweit in die Regelversorgung bringen müssen“, betont Dr. med. Andrea Petermann-Meyer, Koordinatorin der Studie und Leiterin der Sektion Psychoonkologie am CIO Aachen. Dies war der Startschuss für das Projekt Familien-Scout.

Wirksamkeitsstudie Familien-SCOUT

Um die Wirksamkeit dieser Versorgungsform auch wissenschaftlich zu belegen, initiierten die Verantwortlichen der Uniklinik RWTH Aachen in Kooperation mit den Partnerstandorten am CIO Düsseldorf und CIO Bonn 2018 das Studienprojekt Familien-SCOUT, das durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses mit rund 2,8 Millionen Euro gefördert wurde.

„Das Ziel unseres Projekts war und ist es nach wie vor, ein Versorgungsmanagement zu schaffen, das Familien mit minderjährigen Kindern, in denen ein Elternteil schwer an Krebs erkrankt ist, unterstützt. Um die Belastung der Familien zu vermindern, stehen den Betroffenen feste Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner, sogenannte Familien-Scouts, beratend, begleitend und bedarfsgerecht unterstützend zur Seite“, erläutert Univ.-Prof. Dr. med. Tim H. Brümmendorf, Konsortialführer von Familien-SCOUT und Direktor des CIO Aachen. Ihnen obliegt die Aufgabe, Familien zu offenen Gesprächen zu ermutigen, für möglichst viel Sicherheit zu sorgen, sie bei der Etablierung stabiler Betreuungsstrukturen zu unterstützen und eine offene vertrauensvolle Kommunikation innerhalb der Familie zu fördern. Dabei kann es sich um sozialrechtliche und finanzielle Fragen, den Antrag auf eine Haushaltshilfe oder die positive Förderung der Krankheitsbewältigung bei Eltern und Kindern handeln.

Ergebnisse belegen eindrucksvoll den Erfolg

„Um das Hilfsangebot zu verstetigen und auf Bundesebene auszuweiten, sprich, in die Regelversorgung zu integrieren, benötigen wir einen wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweis“, so Dr. Petermann-Meyer. Im Rahmen der Studie wurde evaluiert, ob mit der Zeit durch den Einsatz von Familien-Scouts die Belastung der Familien – im Vergleich zu Familien ohne Familien-Scouts – sinkt. „Dafür wurden Untersuchungen vor und nach dem Einsatz der Familien-Scouts durchgeführt. Als Datengrundlage dienten etablierte Fragebögen, Interviews und Routinedaten der teilnehmenden Krankenkassen“, erklärt die Psychoonkologin das Vorgehen.

Nach vier Jahren Projektlaufzeit wurde Familien-SCOUT nun erfolgreich abgeschlossen. Die Ergebnisse zeigen: Insgesamt 472 Familien und circa 1500 Familienmitglieder nahmen an der Studie teil. „In mehr als zwei Drittel der Familien, die Unterstützung durch Familien-SCOUT erhalten haben, sank die Belastung klinisch relevant bei mindestens einem Elternteil. Die Lebensqualität der Kinder in diesen Familien stieg signifikant, und das obwohl die Krankheit in dieser Zeit in vielen Familien weiter vorangeschritten ist“, wertet Prof. Brümmendorf aus. Zudem stieg in den unterstützten Familien sowohl die berichtete kommunikative als auch die Problemlösungsstrategie.

„Mit der Teilnahme an dem Projekt, welches auch an unseren CIO-Partnerstandorten in Bonn und Düsseldorf durchgeführt wurde, profitierten die Familien in ihrer schweren Zeit nicht nur vom innovativen Ansatz einer phasenübergreifenden psychosozialen Unterstützung, sondern leisteten gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur langfristigen Verbesserung der Versorgung“, resümiert der Direktor des Krebszentrums und Sprecher des gemeinsamen Krebszentrums der Universitätskliniken Aachen-Bonn-Köln-Düsseldorf (CIO-ABCD). „Das CIO-ABCD leistet damit einen wertvollen Beitrag für die Verbesserung der Versorgung von Familien mit einem an Krebs erkrankten Elternteil in unserer Region und darüber hinaus“.

Familien-SCOUT konnte über die initiale Pilot-Region in Aachen hinaus mittlerweile  auch in Düsseldorf und Bonn erfolgreich etabliert werden. Bis das endgültige Votum aus dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorliegt, wurden mit einigen Gesundheitskassen Überbrückungsverträge abgeschlossen.

Impressionen des Abschlusssymposiums:

Am 21. April 2023 fand das Abschlusssymposium des Innovationsfonds-Projekts „Familien-SCOUT“ in Aachen statt.

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