Morphometrie der nächsten Generation: Forschende der Uniklinik RWTH Aachen erarbeiten KI-basierten Meilenstein in der pathologischen Diagnostik

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Uniklinik RWTH Aachen haben eine neuartige KI-basierte Methodik entwickelt, mit der sich eine sehr große Anzahl von histologischen (feingeweblichen) Gewebeproben objektivierbar und quantitativ auswerten lässt. Der als „Next Generation Morphometry“ (NGM) und „Pathomics“ bezeichnete Ansatz hat das Potential, die Pathologie zu revolutionieren, weil er eine neuartige Form der Auswertung großer Datenmengen in kurzer Zeit ermöglicht und so zum Beispiel die Diagnostik bei Nierenkrankheiten vereinfacht. Das Paper ist jetzt im Journal Nature Communications erschienen.

Die Histopathologie ist das wichtigste Teilgebiet der modernen pathologischen Diagnostik und beschäftigt sich mit krankhaften Veränderungen des Körpers, die sich unter dem Mikroskop in histologischen, eingefärbten Proben nachweisen lassen. Ziel dieser Untersuchungen ist es, krankhafte Gewebsveränderungen zu erkennen und daraus eine präzise Diagnose abzuleiten. In der Tumordiagnostik, aber auch bei vielen anderen nicht-tumorösen Erkrankungen, ist die Histopathologie bis heute anderen Methoden überlegen und noch immer der Goldstandard. Die Ergebnisse bei der Beurteilung histologischer Präparate sind nach wie vor eine subjektive Einschätzung der untersuchenden Pathologinnen und Pathologen. Diese manuelle Auswertung der Histologie ist oft hinsichtlich des Durchsatzes, der Präzision und auch hinsichtlich der Reproduzierbarkeit eingeschränkt.

Digitalisierung hebt die Pathologie auf ein neues Level

Die Digitalisierung ermöglicht nun die Anwendung neuartiger Bildanalysetechniken: Die Forscherinnen und Forscher der Uniklinik RWTH Aachen streben mit ihrer Arbeit einen Paradigmenwechsel von einem subjektiven, eher qualitativen Ansatz hin zu einem objektivierbaren, quantitativen Ansatz an. Dazu entwickelten sie ein Analyseverfahren, das, zum Teil mithilfe von Künstlicher Intelligenz (Deep Learning), automatisch und reproduzierbar morphologische Merkmale aus den Gewebeproben der Patientinnen und Patienten in einer Hochdurchsatzmethode extrahiert. Diese sehr großen Datenmengen, die von den Forscherinnen und Forschern „Pathomics“ genannt werden, erlauben neuartige quantitative Analysen. Die Ergebnisse einer einzelnen Probe lassen sich so viel leichter vergleichen, analysieren und interpretieren. Das Verfahren ähnelt anderen Hochdurchsatzmethoden, wie zum Beispiel der bereits breit angewandten Analyse von Gensequenzen („Next Generation Sequencing (NGS)“), die eine sehr schnelle Analyse des Genoms ermöglicht und die „Genomics“-Daten generiert. In einer Weiterentwicklung von NGS ist es heutzutage möglich, auch in einzelnen Zellen die Sequenzierung durchzuführen, was jedoch komplexe biostatistische Methoden erfordert. Diese Methoden haben sich die Forscherinnen und Forscher zunutze gemacht, adaptiert und auf die pathologischen Präparate innerhalb des neuartigen Analyseverfahrens übertragen.

Next Generation Morphometry – NGM

Das neuartige Analyseverfahren haben die Forscherinnen und Forscher, parallel zu NGS and Genomics, „Next Generation Morphometry – NGM“ und „Pathomics“ genannt. Das NGM-Analyseverfahren entwickelten und validierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in mehreren, unabhängigen, internationalen und multizentrischen Patientenkohorten. Anhand dieses aktuell größten verfügbaren Datensatzes von Nicht-Transplantat-Nierenbiopsien konnten in der Studie morphometrische Daten von mehr als sieben Millionen histologischen Strukturen generiert werden. Der Datensatz hat es ermöglicht, den Krankheitsverlauf vorherzusagen und neue Einblicke in die Erkrankungen zu bekommen. Gemeinsam wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihren Ansatz künftig weiter ausbauen und das große Potential zur Verbesserung der Präzisions-Diagnostik nutzen.

Über das Forschungsprojekt

Das Forschungsprojekt stand unter der Federführung von Univ.-Prof. Dr. med. Peter Boor und Dr. med. Roman Bülow, beide aus dem Institut für Pathologie an der Uniklinik RWTH Aachen. Beteiligt waren weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Institut für Pathologie, dem Institute for Computational Genomics und der Klinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten, rheumatologische und immunologische Erkrankungen (Medizinische Klinik II) der Uniklinik RWTH Aachen. Für die Entwicklung des Next Generation Morphometry-Analyseverfahrens arbeiteten die Aachener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Forschenden aus Italien, Tschechien und Großbritannien zusammen.

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