Implantologie und Implantatprothetik

Als Per-Ingvar Brånemark im Jahre 1969 seine Studien zur Osseointegration veröffentlichte und somit die Grundlage für die heute angewendeten Implantate lieferte, konnte niemand damit rechnen, welchen Stellenwert die Implantologie in der gegenwärtigen Gesellschaft erlangen würde. Nach der wissenschaftlichen Anerkennung der Implantologie durch die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) im Jahre 1982 ist aus dem damaligen Stiefkind im Rahmen der zahnärztlichen Behandlung ein heutzutage nicht mehr aus dem Klinikalltag wegzudenkender Faktor geworden. Dies verdeutlicht unter anderem die wissenschaftliche Stellungnahme der DGZMK aus dem Jahre 2005, in der der Indikationsbereich für Implantate derart weit gefasst ist, dass sogar dann Implantate zum Einsatz kommen dürfen, wenn im entsprechenden Einzelfall auch mittels Behandlungsalternativen, die weniger invasiv sind, ähnliche funktionelle Ergebnisse erreicht werden können.

Implantologie – ein modernes Verfahren zum Ersatz verlorengegangener Zähne

Wer jetzt denkt: „Was geht das mich an? Ich habe doch gesunde Zähne...“, der vergisst vielleicht, dass Zähne nicht nur durch Karies oder Parodontitis verloren gehen können, sondern auch durch Unfälle, die bei Sport und Spiel unvermeidbar sind. Wer einen Zahn verliert, der wünscht sich selbstverständlich den bestmöglichen Ersatz, und hierbei kommt die Implantologie zum Tragen. Zahnimplantate können nach Abschluss des Knochenwachstums in jedem Alter eingesetzt werden. Dabei ist anzumerken, dass das hohe Alter eines Patienten eher ein Argument für eine implantologische Lösung sein kann, da viele Aktivitäten im fortgeschrittenen Alter im Zusammenhang mit der Kommunikation und dem gesellschaftlichen Umgang miteinander stehen. Hierbei spielen die Zähne, insbesondere zur Vermittlung eines positiven Selbstwertgefühls, eine große Rolle. Die wichtigsten Voraussetzungen für den implantologischen Zahnersatz sind ausreichendes Knochenangebot sowohl in der Quantität als auch Qualität. Stehen diese Voraussetzungen nicht zur Verfügung, können diese (fast) immer durch entsprechende Maßnahmen hergestellt werden, so dass eine implantologische Lösung vielen Patienten offensteht.

Implantatprothetik – mehr als eine Alternative zum herkömmlichen Zahnersatz

Werden verloren gegangene Zähne mithilfe von Kronen, Brücken, schleimhautgetragenen Prothesen und kombiniert zahn- und schleimhautgetragenen Prothesen ersetzt, werden immer auch eigentlich gesunde Regionen im Mund (Zähne, Schleimhaut, Alveolarknochen) in „Mitleidenschaft“ gezogen, um den Verlust von einem oder mehreren Zähnen auszugleichen. Außerdem nimmt die Knochensubstanz in der Region, in der der Zahn verloren gegangen ist, ab. Implantate können diese Probleme lösen: Dabei erstreckt sich die Indikation vom Ersatz eines einzelnen Zahnes bis zur Versorgung eines ganzen Kiefers.

Was ist ein Implantat und wer führt eine Implantatbehandlung durch?

Ein Zahnimplantat ist im Grunde genommen eine künstliche Zahnwurzel, die in den Kieferknochen eingesetzt wird und dort mit dem Knochen eine stabile Verbindung eingeht. Sie gewährleisten einen optimalen Halt für jegliche Form von Zahnersatz und können einen, mehrere oder alle verloren gegangenen Zähne ersetzen. Bewährte Implantate sind aus Rein-Titan, ein Metall das sich biologisch neutral verhält und keine allergischen Reaktionen auslöst. Heutzutage stehen ebenfalls Keramikimplantate zur Verfügung, die deutlich höhere ästhetische Ansprüche erfüllen und daher besonders im Frontzahnbereich Anwendung finden. In der Regel haben alle Implantate eine zylindrische bzw. schraubenartige Form und bestehen häufig aus drei Teilen: Implantat, Aufbau und Halteschraube. Unterschiedliche Längen, Durchmesser und Formen führen zu einem sehr breiten Einsatzspektrum dieses zahnärztlichen Hilfsmittels.

Implantatchirurgische Eingriffe können theoretisch von jedem Zahnarzt durchgeführt werden. Aufgrund der sehr vielfältigen operativen Möglichkeiten und den höher werdenden Ansprüchen der Patienten ist aber eine implantatchirurgische Behandlung durch einen Spezialisten nicht selten der Fall. Diese Spezialisierung weisen in der Regel Fachärzte für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie bzw. Fachzahnärzte für Oralchirurgie, die Sie in unserer Abteilung vorfinden, auf. Nach dem erfolgten chirurgischen Eingriff übernimmt der Hauszahnarzt, der den Patienten zuvor an den Spezialisten überwiesen hatte, die Behandlung in der Regel wieder. Diese Behandlung schließt die Versorgung der Zahnimplantate mit einem Zahnersatz und die Nachkontrollen ein. Alternativ können diese Leistungen aber auch „aus einer Hand“ in unserer Klinik angeboten werden.

Wie ist der Ablauf einer Implantatbehandlung?

Die implantologische Behandlung gliedert sich grob gesagt in zwei Teile: Den chirurgischen und den prothetischen Teil. In der Implantologie ist die Planung für den ästhetischen und funktionellen Erfolg entscheidend. Man arbeitet daher nach dem Konzept des „Backwards planning” (Rückwärtsplanung). Hierbei wird das prothetische Ziel vor der Implantation definiert und, ausgehend von der angestrebten Form des späteren Zahnersatzes, die Entscheidungen über die Anzahl und Position der benötigten Implantate getroffen. Aufgrund aktueller Techniken verfügen wir über die Möglichkeit einer computergestützten Planung. Dies beinhaltet eine umfassende und sichere Analyse des Implantatlagers und einer exakten Implantatpositionierung, ensprechend der prothetischen Planung. Darüber hinaus können die optimale Länge und Durchmesser des Implantats am Computer bestimmt und mit Hilfe individueller Navigationsschablonen in den Operationssitus übertragen werden. Dies ermöglicht einen möglichst schonenden und minimal-invasiven Eingriff. Ebenso wird die Operationsdauer verkürzt, und postoperative Schmerzen werden minimiert.

Für eine fallspezifische präoperative computergestützte Diagnostik sind verschiedene Schritte erforderlich:

  • Im Sinne des Backwards Planning erfolgt als erster Schritt die Darstellung des geplanten Zahnersatzes in Wachs oder Kunststoff auf einem Situationsmodell. Diese präoperativ gewonnenen Informationen werden im Labor durch die Herstellung einer Scanschablone ermittelt. Sehr häufig führen wir diesen Arbeitsschritt auch komplett digital durch.
  • Vom Patienten wird mit der eingesetzten Scanschablone eine dreidimensionale Röntgenaufnahme in Form einer Computertomographie oder einer digitalen Volumentomographie angefertigt. Durch die 3-D Bildgebung kann man das Knochenangebot bzw. die Notwendigkeit zusätzlicher augmentativer Verfahren beurteilen und die Sicherheitsabstände zu wichtigen anatomischen Strukturen wie den Kieferhöhlen und dem Unterkiefernerv, sowie benachbarten Zahnwurzeln messen und einhalten.
  • Durch eine Planungssoftware können die zuvor gewonnen Daten eingelesen und die Implantatposition sowie die ideale Bohrtiefe und Bohrrichtung für die chirurgische Implantation virtuell geplant werden. Anschließend wird die virtuelle Implantation durchgeführt.
  • Durch diese ideale virtuelle Implantation, unter Berücksichtigung der anatomischen Voraussetzungen des Patienten, wird ein Bohrprotokoll erstellt, dem ein Koordinatensystem für die Überführung in die individuelle Bohrschablone zugewiesen wird.
  • Mit den erfassten Daten der virtuellen Planung und des Bohrprotokolls wird eine Führungs- bzw. Bohrschablone erstellt, die der Chirurg auf dem Kieferknochen für die Implantation fixiert.

Eine navigierte Implantation ist besonders von Bedeutung in Fällen, bei denen die Darstellung anatomisch wichtiger Strukturen in der 2-D-Diagnostik unsicher ist oder nach komplexen Augmentationsverfahren.

Der chirurgische Anteil der Behandlung kann vom Aufwand sehr unterschiedlich sein. Der Einfachheit halber soll nur auf den Fall eingegangen werden, bei dem von Vornherein ein ausreichendes Knochenangebot vorliegt:

  1. Zunächst erfolgt die örtliche Betäubung
  2. Schnitt und Darstellung des Operationsgebiets
  3. Implantatbohrung bis zur entsprechenden Implantatgröße (meist mit Bohrschablone)
  4. Implantatinsertion

Der prothetische Anteil der Behandlung beginnt nach erfolgreicher Einheilphase des bzw. der eingesetzten Implantate(s). Dabei gibt es, wie schon erwähnt, unzählige Ausgangssituationen, wovon nur drei exemplarisch aufgegriffen werden sollen:

  1. Ein Zahn fehlt = Dieser Zahn kann durch ein Implantat mit entsprechendem Aufbau und entsprechender Krone, ästhetisch und funktionell höchsten Ansprüchen genügend, ersetzt werden. Ein sog. Beschleifen der mitunter gesunden Nachbarzähne zur Aufnahme einer Brücke ist nicht notwendig.
  2. Mehrere Zähne fehlen = Mehrere Implantate können diese Lücke schließen, sei es durch einzelne implantatgetragene Kronen oder durch implantatgetragene Brückenkonstruktionen. Zu große Spannweiten, die bei großen Lücken im Munde vorkommen, werden vermieden.
  3. Alle Zähne fehlen = Mehrere Implantate können von der implantatgestützten, schleimhautgetragenen Prothese bis zur implantatgetragenen Brückenkonstruktion zur Rehabilitation des Patienten im Mundbereich beitragen.

Die jeweiligen Patientensituationen sind sehr vielfältig und bedürfen einer individuellen Analyse. Seien Sie aber versichert, dass wir aus der Erfahrung heraus für fast alle Verhältnisse eine optimale Lösung finden werden. Bei ausgesprochen komplexen Konstellationen besprechen wir diese Fälle im von uns gemeinsam mit der Klinik für Zahnärztliche Prothetik und Biomaterialien unter der Leitung von Univ. Prof. Dr. med. dent. Stefan Wolfart im Jahre 2012 gegründeten Zentrum für Implantologie.Dieses Zentrum haben wir gegründet, um Patienten mit komplexen Erkrankungen und Defekten effizienter und zielorientierter behandeln zu können. Somit decken wir gemeinsam auch die Versorgung komplexer implantologischer Behandlungsfälle in enger Kooperation mit den niedergelassenen Zahnärzten ab.