Traumatologie

Die Traumatologie (griechisch: Wundenkunde) beschäftigt sich mit der Prävention, Entstehung, Diagnose und Therapie von Verletzungen und Wunden. Als Trauma bezeichnet man eine Verletzung von Hart- oder Weichgewebe, die durch eine äußere Krafteinwirkung bedingt ist. Mögliche Ursachen sind zum Beispiel Verkehrsunfälle, Stürze, Freizeitsportunfälle, Rohheitsdelikte, Tierbisse oder auch Verbrennungen, Verbrühungen und Verätzungen.

Versorgt werden die verschiedenen Verletzungen je nach Ausmaß, Schweregrad und je nach allgemeinem Zustand des Patienten in örtlicher Betäubung oder in Narkose, ambulant oder unter stationären Bedingungen. Oft sind Verletzungen auf dem Fachgebiet der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie von anderen Verletzungen im Kopfbereich begleitet, wie beispielsweise einer Gehirnerschütterung, Schädelbasisfrakturen, Verletzungen der Augen oder des Gehörganges. Bei multiplen Verletzungen nach schweren Unfällen ist durch die enge Zusammenarbeit mit verschiedenen Fachabteilung der Uniklinik RWTH Aachen, eines der größten Kliniken Europas, eine optimale Behandlung des Patienten innerhalb eines Standortes gewährleistet.

Zu den verschiedenen Verletzungen im Bereich des Gesichtsschädels, die von der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie behandelt werden, gehören vor allem Rissquetschwunden, Knochenbrüche und die Schädigung von Zähnen und Zahnhalteapparat, häufig in Kombination miteinander.

Zahnverletzungen

Zu den Zahnverletzungen gehört die Fraktur (der Bruch) der Zahnkrone oder der Zahnwurzel. In Abhängigkeit des Frakturverlaufs und der Beteiligung der Zahnhartsubstanz oder auch der Zahnpulpa (Zahn-Nerv) erfolgt eine Anschlussbehandlung beim Zahnarzt, beispielsweise durch eine Zahnfüllung, eine Überkronung oder eine Wurzelkanalbehandlung. Im schlimmsten Fall ist der Zahn nicht mehr erhaltungswürdig und muss entfernt werden. Eine chirurgisch-prothetische Versorgung kann bei Verlust des Zahns auch durch ein Zahn-Implantat erfolgen (siehe Implantologie).

Zähne können zudem gelockert werden oder sich in ihrer Position verändern (sogenannte Luxation), so dass eine Ruhigstellung und Stabilisierung über die Nachbarzähne mittels einer Metall-Schiene notwendig wird. Des Weiteren besteht die Gefahr, dass Zähne durch eine Gewalteinwirkung in den Kiefer eingedrückt werden (Intrusion). Sie können auch durch ein Trauma komplett aus dem Zahnfach herausgeschleudert werden (eine sogenannte Totalluxation). In diesem Fall ist es sinnvoll, den herausgeschlagenen Zahn mit in die Klinik zu bringen, damit er dann wieder in das Zahnfach (Alveole) eingesetzt werden kann. Der Zahn sollte hier nach Möglichkeit bis zum Erreichen der Klinik in einer geeigneten, feuchten Umgebung gelagert werden. Bewährt haben sich hier sogenannte „Zahnrettungs-Boxen“. Diese sind in der Apotheke erhältlich und frei verkäuflich, so dass diese für den Notfall in der „Haushalts-Apotheke“ nicht fehlen sollten.  In der Zahnrettungsbox befindet sich ein geeignetes Nährmedium mit einem physiologischem pH-Wert, in dem der Zahn optimale Bedingungen für ein Überleben vorfindet. So ist auch viele Stunden nach dem Trauma ein erfolgreiches Einheilen des Zahns in die Alveole möglich. Voraussetzung für das Wiedereinsetzen des Zahns ist das Vorhandensein von Nachbarzähnen und die weitestgehend erhaltene Alveole. Eine Ruhigstellung der Zähne erfolgt dann mittels lichthärtendem Kunststoff und einer Metallschiene, die je nach Ausmaß der Verletzungen für zwei Wochen oder auch länger belassen werden muss. Im Regelfall schließt sich eine Wurzelkanalbehandlung des replantierten Zahns beim Hausahnarzt an. Wichtig ist in der Zeit der Einheilungsphase eine möglichst geringe Belastung des Zahns mit streng flüssiger Kost und eine adäquate Mundhygiene.

Weichteilverletzungen

Verletzungen der Gesichtsweichteile umfassen die Gesichtshaut, Nase, Ohren, den Haaransatz, Lippenrot und Lippenweiß, sowie die Mundschleimhäute inklusive Zunge und Gaumen. Im Bereich der Gesichtshaut besteht hier die Besonderheit der Schädigung von Gesichtsnerven, die, jeweils separat, für Gefühl und Mimik verantwortlich sind. Ebenso besteht die Gefahr der Verletzung der unter der Haut liegenden Speicheldrüsen und der Muskulatur. Bei kombinierten Verletzungen ist gleichzeitig eine Verletzung des Knochens möglich, im Bereich des Mittelgesichts kann dies unter Umständen auch mit einer Schädigung oder Eröffnung der Nasennebenhöhlen einhergehen.

Die Therapie besteht in der Säuberung der Wunden und der Rekonstruktion der Gewebekontinuität, in der Regel durch einen mehrschichtigen Wundverschluss mit selbstauflösenden bzw. nicht auflösbaren Fäden. Das verwendete Nahtmaterial ist im Gesichtsbereich in der Regel sehr fein. Gerade hier wird auf eine genaue Readaption der Gewebeschichten geachtet, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Bei nicht ausreichend oder nicht sicher bestehendem Tetanusschutz erfolgt in der Regel eine ergänzende Auffrisch-Impfung.

Bei größeren Verletzungen, die unter Umständen mit einem Substanzverlust einhergehen, ist in der Regel eine stationäre Therapie erforderlich, bei langer Exposition des Gewebes oder bei erhöhtem Verschmutzungsgrad und auch bei Tier- oder Menschenbissen ist eine antibiotische Therapie ebenso erforderlich. Die Rekonstruktion feiner Strukturen wie beispielsweise Gesichtsnerven gelingt hier mittels Verwendung eines Operationsmikroskops. Substanzverluste der Weichteile müssen mitunter in mehreren Schritten, das heißt in mehreren Eingriffen rekonstruiert werden. Hierfür besteht die Möglichkeit der Transplantation von Gewebe oder auch die Möglichkeit von lokalen Lappenplastike (siehe Dermatochirurgie und Plastisch-Rekonstruktive Gesichtschirurgie).

Das Risiko bleibender, sichtbarer Narben oder Wundheilungsstörungen ist von Patient zu Patient sehr unterschiedlich. Das Auftreten von Wundheilungsstörungen wird von vielen Faktoren bestimmt, zum Beispiel von Verschmutzungen, insbesondere bei Schuss- oder Sprengverletzungen. Weitere Risikofaktoren sind Rauchen, übermäßige Sonnen- oder Solariumexposition, eine schlechte Mund- oder Körperhygiene sowie bestehende Vorerkrankungen, die mit einer herabgesetzten Abwehrlage des Körpers (sog. Immunsuppression) einhergehen. Überschießende Narbenbildungen (sog. Keloide) haben ebenso vielfältige Ursachen. Die Neigung zu Keloiden ist hierbei jedoch individuell unterschiedlich.

Entspricht das ästhetische Ergebnis nicht den gewünschten Erwartungen, so ist eine Korrektur in der Regel nach Abschluss der Narbenbildung möglich, also frühestens nach etwa einem halben Jahr.

Knochenbrüche (Frakturen)

Durch verschiedene Frakturmechanismen und in Abhängigkeit der Krafteinwirkung können verschiedene Frakturtypen entstehen: Einfach-, Mehrfach-, Trümmer- oder Defektfrakturen. Diese können offen oder geschlossen sein, ebenso bestehen verschiedene Formen der Bruchverschiebung. Im Bereich des Gesichtsschädels unterscheidet man in Frakturen des Unterkiefers, des Mittelgesichts (Oberkiefer, Jochbein, Nasenbein) sowie des oberen Gesichts (Stirnbein und Siebbein).

Klinisch sichere Frakturzeichen bestehen in der abnormen Beweglichkeit, einer tastbaren Krepitation („Knochenreiben“) oder in einer Stufenbildung im Bereich einer Knochenfläche. Im Rahmen der Notfalldiagnostik besteht die Möglichkeit der dreidimensionalen Bildgebung mittels Computertomographie (CT). Häufig wird die Darstellung des Gesichtsschädels in Abhängigkeit des Verletzungsmusters mit der computertomographischen Untersuchung angrenzender Strukturen (Hirnschädel, Halswirkbelsäule) kombiniert.

In unserer Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie besteht im Weiteren die Möglichkeit der modernen Diagnostik mittels 3-dimensionaler digitaler Volumentomographie (siehe Röntgen).

Da der Bruch eines Knochens die Stabilität stark herabsetzt, ist eine entsprechende Versorgung in den meisten Fällen notwendig. In ausgewählten Fällen kann aber auch konservativ vorgegangen werden. Dies ist unter anderem von der Art der Fraktur, aber auch vom Gesamtzustand des Patienten abhängig, so dass von Fall zu Fall individuell entschieden werden muss.

Das Prinzip der operativen Versorgung besteht aus einer Reposition und einer Fixation, im Bereich des Gesichtsschädels üblicherweise mittels einer Miniplattenosteosynthese. In der Regel schließt sich eine Phase der vorübergehenden Ruhigstellung an. Bei zeitgerechter Wundheilung können später die Metallplatten nach ca. sechs bis neun Monaten entfernt werden.

In der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie werden hierbei Zugangswege und Schnitte verwendet, die später möglichst unscheinbar verheilen, häufig wird der Zugang über die Gesichtshaut hierbei elegant umgangen. Auf diese Weise lassen sich ästhetisch hervorragende Operationsergebnisse realisieren.

Computergestützte Navigation und CAD/CAM-Verfahren in der Traumatologie

Ausgedehnte Frakturen im Rahmen von schweren Verletzungen benötigen eine genaue Planung zur optimalen Wiederherstellung von Ästhetik und Funktion. Eine innovative Methode ist die navigationsgestützte Operationsplanung und Durchführung, wie sie auch im Rahmen von rekonstruktiven Eingriffen beispielsweise nach Tumorerkrankungen im Kopf- und Hals-Bereich eingesetzt wird (siehe Rekonstruktive Chirurgie). Anhand des patientenspezifischen DICOM-Datensatzes erfolgt hier eine virtuelle Simulation der geplanten OP durch unser MKG-chirurgisches Team am Computer. Mittels Infrarot-Sensoren kann die erfolgte Simulation dann in den Operationssitus übertragen werden.

Unsere Klinik verfügt über eine langjährige Erfahrung in der Rekonstruktiven Chirurgie, insbesondere in der Mikrochirurgie. Große Defekte im Kopf- und Hals-Bereich können mittels körpereigenen Gewebes anderer Körperregionen somit rekonstruiert oder plastisch gedeckt werden. Dies gelingt sowohl für Knochen- als auch für Weichgewebe. Eine Alternative der knöchernen Rekonstruktion stellt das sogenannte CAD/CAM-Verfahren („Computer assisted designed / Computer assisted manufactured“) dar. Hierdurch gelingt die Wiederherstellung verloren gegangenen Knochens durch Herstellung künstlicher, patientenspezifischer Implantate (PSI). Dieses innovative und wenig invasive Verfahren ist in unserer Klinik neben dem mikrochirurgischen Gewebetransfer ein etabliertes Verfahren mit breitem Behandlungsspektrum nicht nur in der Traumatologie.