Tumorerkrankungen

Tumoren (von lat. tumor = Geschwulst, Schwellung) im Mund-, Kiefer- und Gesichtsbereich werden wie alle Geschwülste hinsichtlich ihrer Dignität (Wertigkeit) in gutartige (benigne) und bösartige (maligne) Tumoren eingeteilt. Der Begriff Tumor bezeichnet prinzipiell jede Art der abnormen Größenzunahme im Gewebe. Ausgehen können diese Tumoren von allen Strukturen des Kopf-/Halsbereiches. Grundlegend können alle Tumoren ausgehend von ihrem Ursprungsgewebe in epitheliale und mesenchymale Tumoren unterteilt werden. Odontogene Tumoren nehmen in diesem Zusammenhang eine Sonderrolle ein.

Gutartige Tumore zeigen ein örtlich verdrängendes Wachstum und sind makroskopisch gut abgrenzbar. Die Entfernung gutartiger Tumoren erfolgt in der Regel unter Schonung der umgebenden, anatomischen Strukturen. Betroffene Patienten haben in der Regel keine ästhetischen oder funktionellen Einschränkungen zu erwarten. Die vollständige operative Entfernung eines bindegewebig abgekapselten, gutartigen Tumors wird als Exstirpation bezeichnet. Erfolgt das Herausschneiden eines Tumors aus dem umgebenden Gewebe, spricht man von Exzision. Beispiele gutartiger Tumoren sind das Chondrom (ausgehend von Knorpelgewebe), das Fibrom (ausgehend von Bindegewebe), das Hämangiom (ausgehend von Blutgefäßen), das Leiomyom bzw. Rhabdomyom (ausgehend von Muskelzellen), das Lipom (ausgehend von Fettzellen) und das Osteom (ausgehend von Knochengewebe).

Eine Ausnahme stellt das pleomorphe Adenom, das vor allem im Bereich der Ohrspeicheldrüse (Glandula parotis) vorkommt, dar. Pleomorphe Adenome wachsen langsam und bleiben lange asymptomatisch. Sie besitzen jedoch ein signifikantes Risiko zur Transformation in einen malignen Tumor. Eine frühzeitige Diagnosestellung und die Einleitung einer stadiengerechten Therapie sind also auch bei gutartigen Tumoren entscheidend.

Bösartige Tumoren wachsen lokal zerstörend und infiltrieren Nachbarstrukturen. Aufgrund ihrer hohen Zellteilungsrate neigen maligne Tumoren zur Metastasierung (Ausbreitung) und Rezidivbildung (Wiederauftreten). Der häufigste bösartige Tumor des Kopf- und Halsbereiches ist das Plattenepithelkarzinom mit einem Anteil von mehr als 90 Prozent.

Plattenepithelkarzinome der Mundhöhle (Mundkrebs)

Plattenepithelkarzinome können alle Regionen des Kopf-Hals-Bereiches betreffen, sind aber vor allem innerhalb der Mundhöhle lokalisiert. Hierzu zählen u.a. die Wangenschleimhaut, der Alveolarkamm, der Mundboden, das retromolare Dreieck, der harte Gaumen und die Zunge. In Deutschland werden etwa 5.000 Neuerkrankungen pro Jahr bei jährlich steigenden Inzidenzzahlen registriert. Männer > 60 Jahre erfüllen das typische Risikoprofil. Plattenepithelkarzinom im Bereich der Zunge stellen einen Sonderfall dar, da sie insbesondere im 40. – 50. Lebensjahr entstehen und Frauen häufiger als Männer betroffen sind.

Das Risiko für Raucher an Mundkrebs zu erkranken ist sechsmal höher als für Nichtraucher. Besonders in Kombination mit Alkohol steigt das Risiko drastisch. Potentielle Risikofaktoren beinhalten jegliche Form exogener Reize, die zu Schleimhautdefekten führen und die Zellteilung anregen. Eine schlechte Mundhygiene, der Nachweis einer HPV-Infektion, der Verzehr von Betelnüssen, aber auch der Mangel an Vitaminen (Vitamin A, Vitamin C, Carotin, Riboflavin) und Spurenelementen (Zink, Selen, Eisen) begünstigen die Entwicklung eines Plattenepithelkarzinoms. Selten können Plattenepithelkarzinome aber auch bei jungen Menschen ohne jegliche Risikofaktoren auftreten.

Die Einteilung maligner Tumoren, wozu auch das Plattenepithelkarzinom der Mundhöhle zählt, erfolgt nach der sog. TNM-Klassifikation. Diese befindet sich seit 2017 in der 8. Auflage. Grundsätze und Handlungsempfehlungen hinsichtlich Diagnostik und Therapie finden sich in der sog. S3-Leitlinie, die u.a. von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) herausgegeben wird.

Die frühzeitige Diagnose eines Plattenepithelkarzinoms ist prognoseentscheidend. Klinisch imponieren Plattenepithelkarzinome als erbsen- bis bohnengroße, derbe Knoten von blasser Farbe (exophytisch), aber teilweise auch als ulzeröse Raumforderungen mit Einziehungen ins Gewebe (endophytisch). Wesentliche prognostische Faktoren sind die Tumorgröße, die Tumorlokalisation, der zervikale Lymphknotenbefall und die Metastasierung in andere Organe. Auf mikroskopischer Ebene wird die Beschaffenheit des Tumors (sog. Grading von G1 bis G3) sowie die Invasion von Gefäßen, Nerven und Lymphknoten untersucht. Neben der histopathologischen Diagnosesicherung einer bösartigen Tumorerkrankung mittels Biopsie wird eine präoperative Bildgebung zur Bestimmung der Ausdehnung des Tumors und zum Ausschluss möglicher Metastasen durchgeführt. Hierzu gehören die Durchführung eines Orthopantomogramms (OPT), eines Röntgen-Thorax, einer Abdomen-Sonographie sowie einer Schnittbildgebung mittels Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT). Ein Zweitkarzinomausschluss erfolgt durch die Kollegen der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde durch eine Spiegelung bzw. Panendoskopie der oberen Atem- und Speisewege.

Die chirurgische Entfernung (Resektion) des Primärtumors und der drainierenden Hals-Lymphknoten (Neck Dissection) ist das Mittel der Wahl. Die Anlage eines temporären Luftröhrenschnittes (Tracheotomie) dient der intra- und postoperativen Sicherung des Atemweges. Die Resektion des Tumors erfolgt mit einem Sicherheitsabstand von mindestens 5 - 10 mm im gesunden Gewebe unter Verwendung hochauflösender Operationsmikroskope, Endoskope, Laserverfahren und Roboter-assistierter Methoden. Um die vollständige Resektion des Tumors sicherzustellen, erfolgt die Entnahme von sog. Schnellschnitten, die während der Operation von einem Pathologen untersucht werden. Gemeinsames Ziel dieser Maßnahmen ist eine dauerhafte Entfernung des Tumors bei geringfügigen ästhetischen und funktionellen Defekten.

In diesem Zusammenhang können insbesondere im Gesichtsbereich funktionell und ästhetisch bedeutsame Defekte entstehen, die mittels plastisch-rekonstruktiver Maßnahmen (siehe Plastisch-rekonstruktive Gesichtschirurgie) versorgt werden. Je nach Lokalisation und Ausbreitung des Tumors, aber insbesondere bei Eingriffen nahe der Schädelbasis ist ein interdisziplinäres Vorgehen in Zusammenarbeit mit den Kollegen der Neurochirurgie, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde oder Augenheilkunde erforderlich.

Das Plattenepithelkarzinom der Mundhöhle metastasiert häufig in die Lymphbahnen des Kopf-Hals-Bereiches. Da die zervikale Metastasierung einen entscheidenden Prognosefaktor darstellt, ist die chirurgische Therapie der Halslymphknoten (Neck Dissection) von immenser Bedeutung. Die Entfernung der drainierenden Lymphknoten wird entweder prophylaktisch oder im Falle nachgewiesener Metastasen therapeutisch durchgeführt. In Abhängigkeit der Lokalisation des Haupttumors sowie des Metastasierungsstatus kann eine beidseitige Neck Dissection erforderlich sein.

Weit fortgeschrittene Tumoren können zusätzlich eine postoperative Bestrahlung des Tumorbettes und der betroffenen Lymphabflusswege, gegebenenfalls in Kombination mit einer Chemo- oder Immuntherapie, erforderlich machen. Beides erfolgt in unserer Klinik in enger interdisziplinärer Zusammenarbeit mit den Kollegen der Strahlentherapie und Onkologie.

In unserer Klinik legen wir besonders viel Wert auf eine fachübergreifende Behandlung von Patienten mit Tumorerkrankungen. Die interdisziplinäre Behandlung wird zentral durch das Centrum für Integrierte Onkologie (CIO) organisiert (siehe CIO ABCD). Therapiekonzepte werden in zertifizierten abteilungsübergreifenden Tumorkonferenzen entwickelt. Die von uns in der Mundhöhle operierten Patienten erhalten ein spezielles logopädisches Training um möglichst schnell die Funktionalität von Sprechen und Schlucken wieder zu erlangen bzw. zu optimieren. Weiterhin tragen wir zusammen mit den Sozialdienstmitarbeitern der Uniklinik RWTH Aachen Sorge für die Wiedereingliederung von Patienten in den Alltag nach dem Klinikaufenthalt. Dies kann zum Beispiel in Form einer nachfolgenden Anschlussheilbehandlung („Reha“) erfolgen.