Größte Telemedizinstudie Europas zeigt: digital vernetzte Gesundheitsversorgung funktioniert, wirkt und hilft

Digitale Lösungen helfen dabei, eine statistisch signifikante Verbesserung der medizinischen Prozess- und Ergebnisqualität zu erzielen. Die jetzt im Journal of Medical Internet Research publizierte Studie* zum Innovationsfondsprojekt TELnet@NRW beweist den Nutzen der sektorenübergreifenden telemedizinisch unterstützten intensivmedizinischen und infektiologischen Versorgung. Mit mehr als 150.000 eingeschlossenen Patientinnen und Patienten handelt es sich um die größte Telemedizinstudie Europas.

„Das ist ein Meilenstein auf unserem Weg zur digital vernetzten Gesundheitsversorgung“, sagt TELnet@NRW-Konsortialführer Univ.-Prof. Dr. med. Gernot Marx, Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care an der Uniklinik RWTH Aachen. „Telekonsile verbessern die Behandlungsqualität sehr deutlich. Auf diesem Weg kann höchste medizinische Expertise schnell und unkompliziert flächendeckend verfügbar gemacht werden.“ Prof. Marx setzt sich mit Hinweis auf die wissenschaftlich erbrachte Evidenz für die umgehende Überführung der Telekonsile in die Regelversorgung ein. Nicht zuletzt habe die Pandemie gezeigt, dass es Alternativen zur Präsenzmedizin gibt, die technisch einwandfrei funktionieren. Das Arbeiten auf Distanz und von zu Hause aus hat sich in den letzten Monaten in vielen Settings als effektiv erwiesen – warum nicht auch in der Medizin? In Zeiten knapper Personalressourcen sind Expertise und Unterstützung für den Intensivmediziner vor Ort über Telekonsile jederzeit schnell abrufbar. Entscheidungen können gerade bei kritischen Fällen ohne Zeitverlust getroffen werden.

TELnet@NRW konnte die Behandlungsqualität signifikant und klinisch hochrelevant verbessern

Telemedizin ermöglicht eine direkte Interaktion rund um die Uhr über weite Entfernungen zwischen Intensivmedizinern oder Experten für Infektionskrankheiten und medizinischen Teams, die Patienten in Krankenhäusern oder Arztpraxen ohne direkten Zugang zu diesen Experten betreuen. Telekonsultationen von Experten erhöhen die Behandlungsqualität und schaffen damit einen Mehrwert für die Patienten. So führt es die Studie noch einmal vor Augen: TELnet@NRW konnte die Behandlungsqualität signifikant und klinisch hochrelevant verbessern. Im stationären Bereich erhöhte die telemedizinische Unterstützung beispielweise die Chance auf eine leitliniengerechte Behandlung von Blutstrominfektionen mit Staphylococcus Aureus um den Faktor 4,0. Ebenfalls positiv konnte die Behandlung von lebensbedrohlichen Krankheitsbildern wie schwerer Sepsis und septischem Schock beeinflusst werden. Hier konnte die Chance auf eine leitliniengerechte Therapie um den Faktor 6,8 gesteigert werden. Im ambulanten Bereich reduzierte die telemedizinische Intervention inkorrekte Antibiotikagaben bei häufig vorkommenden unkomplizierten akuten oberen
Atemwegsinfektionen sehr wirksam. Es konnte eine Erhöhung der Chance auf eine leitliniengerechte Behandlung um 34,3% erreicht werden. Auch bei asymptomatischen Bakteriurien konnte die Chance auf eine leitliniengerechte Behandlung um den Faktor 9,3 gesteigert werden. Hinsichtlich der sekundären Outcomes konnte der Anteil lungenprotektiv behandelter Patienten mit akutem Lungenversagen signifikant erhöht werden. Auch die Einhaltung von international gültigen Leitlinienempfehlungen, so den Sepsis Bundles der Surviving Sepsis Campaign, konnte deutlich gesteigert werden. Dabei war eine nicht signifikante Reduktion der Sepsissterblichkeit von 28,8 Prozent auf 23,8 Prozent zu beobachten.

Umgehende Übernahme in die Regelversorgung gefordert

TELnet@NRW hat ein umfangreiches sektorenübergreifendes telemedizinisches Netzwerk geschaffen, das von den Nutzern – Patienten wie Ärzten – in hohem Maße akzeptiert wird und technisch einwandfrei funktioniert. „Es eignet sich als Blaupause“, so Konsortialführer Prof. Marx. Angesichts der eindeutigen Vorteile müssen Telekonsile nun Teil der Regelversorgung werden. „Der digitale Umbruch in der Versorgung muss jetzt erfolgen. Telemedizin wirkt!“

Der Preprint der Studie ist unter https://s3.ca-central-1.amazonaws.com/assets.jmir.org/assets/preprints/preprint-34098-accepted.pdf frei abrufbar.

*Marx G et al. (2022): An innovative telemedical network to improve infectious disease management in critically ill patients and outpatients: a stepped-wedge, cluster randomized controlled trial (TELnet@NRW). In: J Med Internet Res. 2022, Jan 22. doi: 10.2196/34098.

Über das Projekt

Das durch Mittel des Innovationsfonds geförderte Projekt „TELnet@NRW“ verfolgte seit Anfang 2017 das Ziel, in den Modellregionen Aachen und Münster bzw. Münsterland ein sektorenübergreifendes telemedizinisches Netzwerk in der Intensivmedizin und Infektiologie aufzubauen. Zentrales Element war eine gemeinsame digitale Infrastruktur, die sichere Video-Audio-Verbindungen zwischen den universitären Experten der Telemedizinzentren Aachen und Münster sowie den Partnern aus den 17 Kooperationskrankenhäusern und den beiden Praxisnetzwerken MuM Medizin und Mehr eG in Bünde und dem Gesundheitsnetz Köln-Süd e. V. ermöglichte, um in Televisiten und -konsilen schnell und datenschutzkonform Daten, Informationen und Dokumente auszutauschen.
Konsortialpartner des Projekts waren die Uniklinik RWTH Aachen, das Universitätsklinikum Münster, das Ärztenetz MuM Medizin und Mehr eG Bünde, das Gesundheitsnetz Köln-Süd e.V., die Techniker Krankenkasse, die Universität Bielefeld und das ZTG Zentrum für Telematik und Telemedizin. Das Projekt wurde mit Mitteln des Innovationsausschusses beim Gemeinsamen Bundesausschuss unter dem Förderkennzeichen 01NVF16010 gefördert.

© Photoangel – Freepik

Für Presserückfragen wenden Sie sich bitte an:

Uniklinik RWTH Aachen
Stabsstelle Unternehmenskommunikation
Dr. Mathias Brandstädter
Tel. 0241 80-89893
kommunikationukaachende