Uniklinik RWTH Aachen: Contergan Zentrum Aachen gegründet

Anfang Juli 2022 hat das Medizinische Zentrum für Erwachsene mit geistiger Behinderung und/oder schwerer Mehrfachbehinderung (MZEB) das Contergan Zentrum Aachen (CZA) gegründet. Unterstützt wird das Zentrum von der Conterganstiftung. Das Zentrum bietet ab sofort eine Anlaufstelle für Menschen mit Conterganschädigung in der Region und leistet damit einen wesentlichen Beitrag für die Verbesserung von Diagnostik und Therapie. 

Im Oktober 1957 kam das thalidomidhaltige Medikament Contergan in der deutschen Bundesrepublik auf den Markt. Das rezeptfreie Beruhigungsmittel sollte unter anderem gegen Nervosität, Schlafstörungen und Angstzustände helfen und wurde in den 1950er Jahren insbesondere Schwangeren gegen Übelkeit und weitere Schwangerschaftsbeschwerden empfohlen. Wie erst später bekannt wurde, hatte die chemische Substanz Thalidomid gravierende Wirkungen auf das Nervensystem: Der Wirkstoff hatte den Entwicklungsprozess vieler Föten teilweise schwer geschädigt. Infolgedessen kam es bei Neugeborenen zu einer Häufung von Totgeburten sowie schweren körperlichen Fehlbildungen bis hin zu dem Fehlen ganzer Gliedmaße. Weltweit kamen durch die Einnahme des millionenfach verkauften Medikaments rund 10.000 schwerbehinderte Kinder auf die Welt. Heute leben in Deutschland schätzungsweise noch 2.400 Menschen mit einer Conterganschädigung. „Viele Contergan-Geschädigte sind ihr Leben lang auf Unterstützung angewiesen. Nicht nur wegen ihrer körperlichen Beeinträchtigungen wie verkürzte Gliedmaße, sondern auch aufgrund von altersbedingten Beschwerden, die durch die Über- und Fehlbelastung von Gelenken und Muskeln zustande gekommen sind“, sagt Dr. med. Andrea Maier, Geschäftsführende Oberärztin am Contergan Zentrum Aachen.

Langjährige Erfahrung in der Versorgung von Menschen mit Behinderungen

Mit dem Contergan Zentrum Aachen gibt es nun eine Anlaufstelle für Menschen mit Conterganschädigung in der Region. Bereits seit November 2018 betreut das Team des MZEB Erwachsene mit Behinderungen aus ganz Deutschland ambulant – und verfügt damit über eine langjährige Erfahrung in der Versorgung von Menschen mit Behinderungen. In dem interdisziplinären Team arbeiten Expertinnen und Experten der Fachbereiche Neurologie, Kinder- und Jugendmedizin, Psychiatrie, Psychologie, Logopädie, Ergotherapie, Sozialarbeit und Physiotherapie Hand in Hand. Contergan-Geschädigte können sich im CZA von Ärztinnen und Ärzten sowie Therapeutinnen und Therapeuten beraten lassen und – abhängig von dem individuellen Versorgungsbedarf – verschiedene Therapieangebote in Anspruch nehmen. „Zudem bieten wir eine Unterstützung bei sozialmedizinischen Fragestellungen wie dem Grad der Behinderung, dem Pflegegrad, einer häuslichen Versorgung und im Hinblick auf den Beruf an. Zu unserem Leistungsspektrum gehört auch die Kommunikation mit Hausärztinnen und -ärzten sowie die Organisation von Schulungen und Fortbildungen“, erklärt die Koordinatorin des Contergan Zentrums Aachen, Mareike Prömpler.

Enge klinische Vernetzung

Je nach Versorgungsbedarf werden im Contergan Zentrum Aachen verschiedene Spezial-Sprechstunden angeboten. Dazu gehört unter anderem die in zweiwöchigen Abständen stattfindende Orthopädie-Sprechstunde. Auch die Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik bietet die Möglichkeit, Patientinnen und Patienten nach Besprechung der Beschwerden und Diagnosestellung ambulant, teilambulant und stationär weiter zu behandeln. Da Contergan-Geschädigte häufig unter sensorineuraler Schwerhörigkeit leiden, wird bei Bedarf auch die Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie hinzugezogen. Außerhalb der Uniklinik RWTH Aachen kooperiert das Zentrum unter anderem mit Niedergelassenen, Fachärztinnen und -ärzten, Wohngruppen und Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, sozialen Einrichtungen und Beratungsstellen sowie Selbsthilfegruppen.

Eine koordinierte Anlaufstelle in der Region schaffen

"Unser primäres Ziel für das laufende Jahr 2022 ist es, zunächst eine koordinierte Anlaufstelle für Menschen mit Conterganschädigung in der Region zu schaffen. Neben der Beratung Betroffener steht für uns auch die Bedarfsermittlung im Vordergrund. In der Klinik für Orthopädie, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie sowie in der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie bauen wir zum Beispiel zwei stationäre Zimmer so um, dass sie speziell an die Bedürfnisse von Menschen mit Conterganschädigung angepasst sind", sagt Mareike Prömpler. Ab September sind in den Räumlichkeiten des MZEB erste Treffen einer Selbsthilfegruppe geplant. Langfristig ist der Aufbau einer E-Learning-Plattform in Planung, um Kolleginnen und Kollegen über Besonderheiten bei der Versorgung von Menschen mit Conterganschädigung zu informieren. In Kooperation mit anderen Zentren ist auch die Entwicklung eines Registers vorgesehen. „Wir freuen uns, mit unserem Contergan Zentrum Aachen eine neue Anlaufstelle für Betroffene in Aachen und der Region zu bieten und den Geschädigten damit ein individuell abgestimmtes Versorgungsangebot zu ermöglichen“, sagt Dr. Maier.

Weitere Informationen zu den Behandlungsangeboten und Kontaktdaten sind auf der Homepage des MZEB zugänglich.

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