Personalisierte Medizin bei Depressionen

In dem Europäischen Verbundprojekt Artipro unter Koordination von Univ.-Prof. Dr. med. Julia Stingl, Direktorin des Instituts für Klinische Pharmakologie an der Uniklinik RWTH Aachen, wollen Forschende mithilfe von künstlicher Intelligenz und übergeordneten Biomarkeranalysen herausfinden, ob sich zukünftig vorhersagen lassen könnte, welche Patienten auf welche Therapie mit antidepressiven Medikamenten bei einer Depression am besten ansprechen. Langfristig wollen die Fachleute damit Personalisierte Behandlungsweisen entwickeln, bei denen jedem Patienten individuell die für ihn am besten passende Therapie zugeordnet werden kann.

Depressionen gelten weltweit als eine der häufigsten psychischen Erkrankungen. Die Behandlung ist oft langwierig und komplex. Nicht einmal die Hälfte der Patientinnen und Patienten spricht auf das ihnen zunächst verschriebene Antidepressivum ausreichend an, das behandelnde medizinische Personal stellt dies vor große Herausforderungen. Um die Heilung zu verbessern, sollen den Erkrankten zukünftig Ansätze aus der personalisierten Medizin helfen. Diese stehen für einen Paradigmenwechsel: Der Weg führt von einem generalisierten Behandlungsansatz für eine Krankheit hin zu einem, der auf die einzigartigen Eigenschaften und Bedürfnisse einer Person ausgerichtet ist. Die Strategien zur Prävention, Diagnose und Therapie von Krankheiten orientieren sich somit an dem Patienten, der im Mittelpunkt der Gesundheitsversorgung steht. Medizinische Modelle, welche die Charakterisierung eines individuellen Phänotyps und Genotyps (beispielsweise Daten zum Lebensstil der Patientinnen und Patienten, pharmakogenetische oder molekulare Informationen oder eine medizinische Bildgebung) einsetzen, sollen dabei helfen, spezifisch für jeden Menschen und zum richtigen Zeitpunkt individuell maßgeschneiderte Behandlungsstrategien und Präventionsansätze anzubieten. Die Forschenden streben einerseits eine höhere Wirksamkeit der Therapie an und versuchen andererseits, Übermedikationen und nicht notwendige Interventionen zu vermeiden, was die gesamte Versorgung und Lebensqualität verbessern soll.

Vorhersageprofile für eine personalisierte Behandlung

Zu diesem Zweckwird im Rahmen des Verbundprojektes Artipro – „Artificial intelligence for personalised medicine in depression – analysis and harmonization of clinical research data for robust multimodal patient profiling for the prediction of therapy outcome” – gemeinsam mit den beteiligten Projektpartnern eine Daten- und Analyseplattform eingerichtet, welche Daten aus bestehenden klinischen Forschungsprojekten innerhalb Europas zu dem individuellen Therapieansprechen bei Depressionen zusammenführt. Das Ziel ist, robuste multimodale Biomarker und Vorhersageprofile für das Ansprechen auf Medikamente gegen Depressionen mittels Methoden der künstlichen Intelligenz zu ermitteln. „Hierzu kombinieren wir Daten zum Therapieverlauf und dem Ansprechen aus den bestehenden klinischen Forschungsprojekten der Partner des Verbundprojektes und integrieren diese für die Auswertungen in die komplexe Datenplattform. Dabei verfolgen wir insbesondere das Ziel, die Daten zu den Biomarkern zu erweitern und vorhandene Datenlücken zu schließen. Die Ergebnisse führen wir dann zu einer einzigen Datenplattform zusammen, welche die Nutzung großer multimodaler Datensätze für die Entwicklung von Vorhersagemodellen für Therapieverläufe und das individuelle Ansprechen auf die Antidepressiva ermöglicht“, sagt Prof. Stingl. Durch das systematische Zusammenfassen der Daten aus den Einzelstudien entsteht ein umfassender Gesamtdatensatz, der homogen für multimodale und transdiagnostische Auswertungen geeignet ist. Die Aussagekraft der Auswertungen wird so im Vergleich zu den ursprünglichen Einzeldaten deutlich verbessert. Big-Data-Ansätze und künstliche Intelligenz sollen zudem dabei helfen, neuartige Biomarker-Indexprofile zu identifizieren, die die Therapie vorhersagen und so eine Grundlage für die Entwicklung von Entscheidungshilfesystemen für die personalisierte Therapie schaffen.

Förderung durch das Konsortium „ERA Permed“

Gefördert wird das Verbundprojekt in einer Höhe von rund 1,6 Millionen Euro durch „ERA PerMed“, einem Konsortium aus 32 nationalen Förderorganisationen aus 23 Ländern sowie mehreren Regionen, die sich das Ziel gesetzt haben, die personalisierte Medizin in Europa voranzubringen und multidisziplinäre transnationale Forschungsprojekte zu koordinieren und zu fördern. Das Forschungsprojekt Artipro konnte sich in dem Bewerbungsverfahren erfolgreich gegen zahlreiche andere Bewerber durchsetzen – gerade einmal eines von zehn Projekten erfüllte die Förderungsbedingungen.

Internationale Zusammenarbeit

Koordiniert wird das Verbundprojekt durch das Institut für Klinische Pharmakologie unter der Leitung von Prof. Stingl.  Zu den Partnern gehören Maria Giulia Bacalini, PhD vom IRCCS Istituto delle Scienze Neurologiche di Bologna aus Italien, Ass. Prof. Roberto Viviani, PhD von der Universität Innsbruck aus Österreich, Prof. Noam Shomron, PhD von der Universität Tel Aviv aus Israel, Espen Molden, PhD vom Diakonhjemmet Hospital der Universität Oslo aus Norwegen, Dr. rer. nat. Catharina Scholl vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aus Bonn und Nada Bozina, MD, PhD von der School of Medicine der Universität Zagreb aus Kroatien. Das Projekt wird am Institut für Klinische Pharmakologie der Uniklinik RWTH Aachen durch die beiden Doktoranden Marco Hoffmann und Jason-Christoph Rademacher betreut. Sie übernehmen das Einpflegen der bereits existierenden Studien in die Daten- und Analyseplattform, bearbeiten und ergänzen die Evidenzbasis zu Biomarkern und Datensätzen zum Ansprechen auf Antidepressiva und sind für Analysen individueller Patientenrisikoprofile für das Ansprechen und die Dosierung von Antidepressiva zuständig.

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